Manipulierte Internet-Bewertungen
Wer online einkauft, ein Hotel bucht oder nach Gesundheits-Ratschlägen sucht, kann zu allem und jedem Postings im Internet Bewertungen anderer Menschen finden. Dass da vieles Lug und Trug sein könnte, wurde immer schon vermutet. Jetzt gibt es erstmals Belege dafür, dass eine Wiener PR-Agentur systematisch für namhafte Unternehmen posten ließ, bezahlt und schöngefärbt. Jetzt soll der von der Zeitschrift DATUM aufgedeckte Skandal Konsequenzen haben.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 24. November 2014
Falsche Identitäten machen Werbung für Unternehmen
Hunderttausende Jubel-Postings für Unternehmen wie ÖBB, Bank Austria, Lotterien, Bayer und TUI. Auch die Wiener ÖVP war unter den Kunden der Agentur "Modern Mind Marketing", kurz Mhoch3. Die hat über zehn Jahre Leute dafür bezahlt, unter erfundenen Identitäten in Internetforen verdeckt Stimmung für die Kunden zu machen. Aufgedeckt hat den Posting-Skandal die Zeitschrift DATUM. Online Reputation Management heißt das Angebot, das Mhoch3 immer noch im Programm hat. Der Agenturchef Martin Kirchbaumer steht dazu, will sich vorerst aber nicht dazu äußern. Allein die Aussage, dass Unternehmen die Glaubwürdigkeit nicht hätten, wenn sie derartige Postings selbst posten würden, sei höchst fragwürdig, zeigt sich Renate Skoff vom PR-Ethikrat entsetzt.
Öffentliche Rüge des Ethikrates zu erwarten
Die PR-Branche ist um ihren Ruf besorgt, ein Verfahren vor dem Ethikrat ist angelaufen. Renate Skoff betont, dass man Praktiken wie jene, die Mhoch3 angelastet werden, verurteile. Der Ethikrat sei kein Gericht und habe nur die Möglichkeit, Fehlverhalten aufzuzeigen. Sollte der Ethikrat zu dem Schluss kommen, dass es sich bei Mhoch3 um ein solches Fehlverhalten handelt, würde es eine öffentlich Rüge geben, so Skoff. Axel Maireder, Social Media Experte an der Universität Wien, hofft, dass der öffentliche Druck auch den Auftraggebern eine Lehre ist. Er beurteilt den negativen Imageeffekt für jene Unternehmen, die die gefälschten Bewertungen in Auftrag gegeben haben, als sehr stark.
Auftrags-Posting weiterhin im Netz
Tatsächlich gehen die betroffenen Unternehmen auf Distanz, alle betonen, dass die Geschäftsbeziehungen längst beendet seien und Verantwortliche gekündigt hätten. Dass die Auftrags-Postings noch im Internet zu finden sind, nehmen ÖBB und Bank Austria hin. TUI, Opel, Lotterien, der Pharmakonzern Bayer und die Wiener ÖVP wollen sich zumindest anschauen, ob man diese Postings löschen lassen kann. Stefan Apfl - er hat für DATUM recherchiert - meint, dass früher oder später sowohl die Foren-Betreiber als auch die breite Öffentlichkeit Zutritt zu diesen Daten erhalten würden. Derzeit verhandle man mit großen Medienhäusern über die Auswertung des Materials, um es dann ins Netz zu stellen. Gut möglich, dass sich auch die Justiz dafür interessieren wird.
In der DATUM-Redaktion selbst melden sich jedenfalls laufend Informanten mit Hinweisen auf mögliche andere schwarze Schafe unter den PR-Agenturen.