Jacek Dehnels Buch über das Haus Goya
Der Warschauer Autor Jacek Dehnel lebt derzeit als "Writer in Residence" in Wien, als Gast des Bundeskanzleramts und von KulturKontakt Austria. Jacek Dehnel gilt als Star der jungen polnischen Literatur. Er war 26, als er anno 2006 mit seinem Roman "Lala" international reüssierte, zuletzt ist bei Hanser "Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya" erschienen.
8. April 2017, 21:58
Ein Roman, der die Geschichte des einzigen Sohns des berühmten Malers Francisco de Goya erzählt, genauer: das Psychogramm einer Vater-Sohn-Beziehung. Heute Abend präsentiert Jacek Dehnel das Buch im Wiener Literaturhaus.
Kulturjournal, 26.11.2014
Mit einem Spazierstock erscheint Jacek Dehnel zum Interview - Spazierstock mit silbernem Knauf, ein Hemd mit bunten Schmetterlingen, Sakko, statt Krawatte ein roter Querbinder - Jacek Dehnel inszeniert sich gern als Dandy: "Der Dandyismus steht mir sehr nahe. Ich meine damit aber nicht mein Styling, das ist nicht so wichtig. Es geht mir viel mehr um eigenartige Momente, ich suche das Kuriose, Merkwürdige, Ungewöhnliche, ungewöhnliche Bücher, ungewöhnliche Erfahrungen, die man im Leben machen kann."
Ein Denkmal für de Goyas Sohn
Eine davon war die Begegnung mit den "Pinturas negras", den düstersten und rätselhaftesten Werken von Francisco de Goya. Für Jacek Dehnel waren sie der Ausgangspunkt eines Romans. "Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya" setzt aber nicht allein dem spanischen Meister ein Denkmal, sondern vor allem Javier de Goya, seinem einzigen Sohn. Für seinen Vater war er ein Versager.
"Es ist eine Familiengeschichte. Über schmerzliche Beziehungen zwischen Vätern und Söhnen in einer patriarchalischen Gesellschaft", erzählt der Autor. "Als Javier nach dem Tod von Francisco de Goya zu malen begann, war es offensichtlich, dass er ein sehr talentierter Künstler war, er hat wunderbare Bilder geschaffen, Ikonen der Malerei des 19. Jahrhunderts. Nachdem er aber eben erst nach dem Tod des Vaters begonnen hat, können wir davon ausgehen, dass in dieser Familie einiges schiefgelaufen ist, dass es da große Probleme gab. Die schwarzen Bilder sind für mich dafür eine Metapher."
Die unbewiesene Theorie
Der Kunsthistoriker Juan Jose Junquera hat vor mehr als zehn Jahren versucht zu beweisen, dass Javier de Goya der Schöpfer der "Pinturas negras" sei - jener Gemälde, die Francisco de Goya in seinen letzten Jahren an die Wände seines Landhauses nahe Madrid gemalt haben soll. Viel Zuspruch hat Junquera mit seiner These aber nicht gefunden.
"Letztlich ist es eine unbewiesene Theorie", sagt auch Jacek Dehnel, ihm sei es um eine literarische Deutung der rätselhaften Bilder gegangen. Und so lässt er drei Generationen zu Wort kommen: Francisco de Goya, seinen Sohn Javier und den Enkel Mariano. Soviel gleich vorweg: Sympathieträger sind sie alle nicht. Da ist zunächst Francisco, ein wütender Zyniker, ein kraftstrotzendes Genie, eitler Tyrann und Choleriker, wie Jacek Dehnel ihm in seinen Briefen begegnet ist.
Gefühlskalte Umgebung
Daneben wirkt sein Sohn Javier wie ein Schwächling, ein introvertierter Melancholiker, der sich den Ansprüchen des Vaters verweigert und von ihm als "Trantüte" verachtet wird. Der Enkel Mariano wiederum ist geschäftstüchtiger Lebemann, der - auch mit unlauteren Mitteln - aus dem Ruhm des Großvaters Profit schlagen will.
"Alle drei leben in einer gefühlskalten Umgebung, sie können keine Gefühle zeigen oder nett zueinander sein, das wäre zwischen Männern ein Zeichen der Schwäche. Als Machos müssen sie Aggression und Distanz demonstrieren", so Dehnel.
"Saturn verschlingt seinen Sohn" - so heißt Goyas berühmtes Gemälde. Wie die anderen Bilder des Zyklus der Pinturas negras sind sie in dem Roman abgedruckt. Jacek Dehnel deutet sie durch Javiers innere Monologe, beschreibt sie detailliert, und er hat dafür akribisch recherchiert.
Die Welt der Malerei
"Die Schwierigkeit lag oft im Detail", erklärt Jacek Dehnel. "Zum Beispiel: der Diener soll für Goya Farben kaufen, blau oder rot, egal. Und Goya muss ihm erklären, wie viel er braucht. Heute würde man sagen: einen halben Liter. Aber Liter war damals nicht das Maß in Spanien. Ich musste also herausfinden, welches Maß in dieser Region von Spanien damals gebräuchlich war. Es war Arroba." Mit fundiertem Wissen und mit spürbarem Vergnügen taucht Jacek Dehnel ein in die Welt von Goyas Malerei.
"Saturn - das ist ein sichtbarer Ausdruck meiner Sehnsucht nach der Malerei. Ich bin selbst Maler, aber mit der Zeit hat die Literatur überhandgenommen", sagt Dehnel. "Ich vermisse das Malen und ich werde ein Atelier in Warschau suchen und zur Malerei zurückkehren. Es ist ein großes Vergnügen, der ganze Körper ist da im Einsatz. Im Gegensatz zum Schreiben - das ist etwas rein Intellektuelles."
Immerhin - nach "Saturn" hat Jacek Dehnel zwei weitere Romane geschrieben, die auf eine Übersetzung ins Deutsche warten.
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Hanser - Jacek Dehnel