Owen Pallett im Porträt
Dem kanadischen Singer/Songwriter Owen Pallett gelingt ein erstaunlicher Mix: Er ist ein virtuoser Geigenspieler, gleichzeitig aber auch ein kreativer Kopf, wenn es darum geht, die analogen Klänge digital weiterzuverarbeiten. Gestern gastierte er im Wiener Brut.
8. April 2017, 21:58
Kulturjournal, 11.12.2014
Singer/Songwriter gibt es mittlerweile wie Sand am Meer, umso schwieriger ist es, sich aus dieser Masse herauszuheben. Dem Kanadier Owen Pallett gelingt das mit einem erstaunlichen Mix. Er ist ein virtuoser Geigenspieler, gleichzeitig aber auch ein kreativer Kopf, wenn es darum geht, die analogen Klänge digital weiterzuverarbeiten. Dazu kommen noch eine erstaunliche Stimme und schelmische, dabei aber gehörig in die Tiefe gehende Texte. Musiker von den Pet Shop Boys bis Arcade Fire suchen deshalb seine Zusammenarbeit und auch Hollywood hat schon seine Fühler nach ihm ausgestreckt.
Ein vielseitiger Musiker
Starallüren kennt Owen Pallett keine, denn beim Auftritt seiner Vorgruppe Foxes in Fiction hilft er bereitwillig aus und spielt die zweite Geige. Wahrscheinlich gibt es kaum einen anderen Musiker, der in so vielen und dabei völlig unterschiedlichen Bands mitgespielt hat wie Owen Pallett. Das hitparadenverwöhnte Synthie-Pop-Duo Pet Shop Boys hat er genauso unterstützt wie die Hardrock-Melancholiker von Linkin Park und Indie-Größen wie Arcade Fire und Beirut begleitete er über Jahre hinweg.
Ein musikalischer roter Faden ist da nicht wirklich zu entdecken, aber heutzutage sind Musiker wohl gezwungen pragmatischer zu denken als ihre Kritiker. Owen Pallett: "Manchmal geht es eben ausschließlich ums Geld. Wenn eine Band gut genug zahlt, dann mache ich den Job. Manchmal spiele ich aber auch mit, weil ich die Musik schätze. Letztendlich entscheidet aber immer mein Freund. Wenn er eine Band mag, dann arbeite ich auch mit ihr. Meine Kooperation mit Beirut ist auf diese Weise zustande gekommen. Beirut war seine Lieblingsband, während der Zusammenarbeit ist sie aber auch zu meiner Lieblingsband geworden."
Anspruchsvolle Texte
Owen Pallett trägt Seitenscheitel und Vollbart, wie sie in der Singer/Songwriterszene mittlerweile standardmäßig vorgeschrieben sein dürften, ein schöner Stilbruch ist aber sein schwarzes T-Shirt der Glam-Rocker Van Halen, die mit ihrem Eintagsfliegenhit "Jump" Mitte der 1980er-Jahre die Hitparaden aufgemischt haben. Andres als bei Van Halen ist Palletts Instrument aber nicht die tiefhängende E-Gitarre, sondern die Geige und anders als bei dem Rockquartett haben seine Lieder auch ansprechende und anspruchsvolle Texte, die auch in einem Lyrikband gut aufgehoben wären.
Wie sieht da seine Schreibpraxis aus? "Es ist ein wenig peinlich, weil ich darauf keine besonders glamouröse Antwort habe", so Pallett. "Ich setze mich nämlich einfach nach dem Aufstehen für drei Stunden ins Kaffeehaus und schreibe dort meine Texte. Meist beginne ich mit irgendwelchen Albernheiten, nach und nach ergibt sich dann aber ein Thema oder ein Konzept und dem folge ich dann."
Michel Houellebecq
Literatur spielt aber eine große Rolle für Owen Pallett und im Musikvideo zu seinem Song "On a Path" kann der aufmerksame Beobachter Michel Houellebecqs Buch über H.P. Lovecraft entdecken, einen ganz Großen der fantastischen Literatur. Owen Pallett: "Ich mag die Romane von Houellebecque nicht, sein Buch über Lovecraft ist aber großartig. Für mich ist Lovecraft eine interessante Figur, wirklich beeinflusst haben mich aber sein literarischer Stil und seine Gedanken über die Unendlichkeit."
Das neue Album
In "Infernal Fantasy", der "teuflischen Fantasie", hat er Zitate Lovecrafts umgeschrieben. Der Song findet sich auf seinem heuer erschienenen neuen Album "In Conflict", das persönlicher geworden ist als der Vorgänger "Heartland". "In Conflict" ist übrigens in Zusammenarbeit mit einem der bedeutendsten Produzenten des Musikbusiness entstanden. Dabei durfte Brian Eno Palletts Album gar nicht produzieren, sondern nur Ideen beisteuern und auch da war Pallett noch einmal äußerst wählerisch: "Ich habe ihm meine Platte geschickt und er hat mir zu fast jedem Song Material aufgenommen. Wir konnten aber nur die Hälfte verwenden, weil seine Sachen meine Musik völlig verändert hätten."
Oscarnominierung für "Her"-Video
Owen Pallett lässt zu vielen seiner Songs aufwendige Videos drehen, die oft ganz eigenständige Geschichten erzählen. Eine besondere Nähe zum Kino war aber nicht ausschlaggebend für seine Entscheidung, ins Filmbusiness zu gehen und Soundtracks zu komponieren. Der Erfolg ließ aber nicht lange auf sich warten, denn für den Score zu Spike Jonzes virtueller Liebesgeschichte "Her", den er zusammen mit Arcade Fire geschrieben hatte, war Pallett dieses Jahr für den Oscar nominiert: "Es hat sich nicht positiv auf meine künstlerische Arbeit ausgewirkt. Ich will jetzt nicht undankbar klingen, denn natürlich hat es geholfen neue Jobs an Land zu ziehen. Die Zeremonie selbst war aber mehr als verzichtbar."
Das Komponieren von Filmmusik ist mittlerweile zu seinem Brotberuf geworden. Das macht ihn aber unabhängig und gibt ihm die Möglichkeit in seiner Soloarbeit kompromisslos seinen eigenen Weg zu gehen. Und da glaubt Owen Pallett mehr an konsequente Arbeit als an den sporadischen Musenkuss: "Kreative, die ihre eigenen Chefs sind, gehen oft den Weg des geringsten Widerstands, wenn es darum geht, sich Herausforderungen zu stellen. Deswegen setzen sie sich vor Facebook, anstatt sich zu überlegen, wie sie ihre Steuer bezahlen sollen. Es braucht einfach Disziplin und Sitzfleisch damit etwas weitergeht. Wahrscheinlich war es früher einfacher in den Schaffensprozess hineinzukippen, weil die Ablenkung durch das Internet weggefallen ist. Aber man muss nur Offline gehen und plötzlich bekommt man auf ganz wundersame Weise die Dinge auf die Reihe."
Musikindustrie und Internet
Der Einfluss des Internet auf die Musikindustrie ist auch für Pallett ein interessantes Thema. Nicht nur weil da Gelder verlorengehen, sondern auch weil sich das Hörverhalten der Konsumenten völlig verändert hat. Owen Pallett: "Ich habe dunkle Zukunftsvisionen, fast wie Nostradamus, zur Zukunft der Musik. Es ist schon interessant, wie ganz anders Musik heute gehört wird im Vergleich zu meiner Jugend. Dieses oberflächliche Nebenbeihören funktioniert bei meinen Sachen aber nicht allzu gut, weil es gute Boxen oder Kopfhörer braucht, um alle Feinheiten zu hören. Am besten sollte man ohnehin dasitzen, vor sich das aufgeschlagene Booklet mit den Liedtexten und mitlesen, zumindest war das die Art, wie ich in meiner Jugend Musik gehört habe."
Und so freut sich der Kritiker schon auf den Abend mit dem neuen Owen Pallett-Album "In Conflict" und dem aufgeschlagenen Booklet, in dem er sich bei abgeschaltetem Internet in Ruhe der wunderbaren Musik und den intelligenten Texten widmen kann.