Die "Café Sonntag"-Glosse von Severin Groebner

Krimi

Krimi-Autor! Das müsste man sein. Ja, ich würde - wär ich ein Krimiautor - einfach mal mit diesem Klassiker beginnen. Sie wissen schon: Büro, leicht heruntergekommen, Ventilator an der Decke, eine leere Flasche Schnaps auf dem Schreibtisch und der Detektiv schläft schnarchend im Trenchcoat seinen Rausch aus.

Da fliegt die Tür auf und die geheimnisvolle Blondine tritt ein, legt ihr bestrumpftes Bein auf den verdutzten Ermittler und sagt: "Ich habe einen Auftrag für sie. Geld spielt keine Rolle." Darauf er: "Ich nehme an", darauf sie, "sehr gut. Dann ist ja alles klar", und will wieder verschwinden. Er aber sagt: "Ich nehme an, Sie wollen mir zuerst einmal sagen worum es geht."

Und dann erzählt sie ihm eine haarsträubende Geschichte, in der ein russischer Atomwissenschaftler, eine zwielichtige Hafenspelunke, ihr verschollener Bruder, ein toter Papagei, ein Chevrolet 1959, ein abgehackter Daumen, zwanzig Kilo Kokain und eine hinkende Putzfrau eine nicht unwesentliche Rolle spielen. Aber das wird sich erst auf den nächsten 180 Seiten uns nach und nach erschließen …

Dabei, nein, würde ich ganz anders anfangen. Denn wenn ich Krimiautor wäre, dann wären wir zunächst nur in einer heruntergekommenen Hafenkneipe, in der ein besoffener Atomwissenschaftler sich bei der blonden Kellnerin über seine beschissene Ehe beschwert. Irgendwann reicht es der Dame (schließlich ist sie es, die mit ihm verheiratet ist) und setzt ihn an die frische Luft. Der Besoffene torkelt nun durch den Hafen und denkt sich gerade noch: "Ein 1959er Chevi? Hier??", bevor ihm dieser für immer die Lichter ausknipst. Am nächsten Tag sitzt ein verschollener Bruder friedlich in der Sonne und macht mit einem abgeschnittenen Daumen Fingerabdrücke auf Päckchen voller Kokain. Und wie diese beiden Ereignisse und auch noch der entflohene Kakadu zusammen hängen, das werden die nächsten 250 Seiten zeigen, durch die uns unser abgekämpfter, desillusionierter Kommissar geleiten wird …

Denn das ist ja das aller wichtigste für den Krimiautor. Der Ermittler. Deshalb ist der Ermittler auch meistens geschieden (aha! - denkt sich da der Leser - eine verlorene Liebe, das menschelt!), obendrein Alkoholiker (aha! innerlich ein ganz ein Lieber, aber äußerlich ein Drecksau, so wie der Onkel Norbert früher), strafversetzt wegen Polizeigewalt (schau, schau: Zuhauen kann er also auch. Des is fesch!) und pflegt seine beiden einzigen Hobbys gleichzeitig (Schach in der Sauna, gscheit schwitzen, net deppat also). Mit so einem Ermittler, der soziologisch also irgendwo zwischen Sozialfall und Vollnerd pendelt, wird die Frage, warum der sprechende Marabu den Weg zum verschollenen Bruder an einer Prise Kokain erkennen kann und weshalb der neue Wirt der Hafenspelunke die hinkende Putzfrau ist, der ein Daumen fehlt, durch eine einzige Fahrt in dem 59er Chevi nach 340 Seiten geklärt.

Manchmal aber denk ich mir, es wär doch auch schön, wenn ein sauberer, freundlicher Detektiv, mit einem intakten Familienleben, morgens in sein Büro kommt, wo ein depressiver Albatros steht und sagt: "So fängt man doch keinen Krimi an!" und ihn sofort erschießt.

Das tät ich machen. Und deshalb bin ich auch kein Krimiautor.