Neuer Roman von T.C. Boyle
Berühmt wurde der US-amerikanische Meistererzähler T.C. Boyle als Erneuerer des historischen Romans. In seinem neuesten Roman "Hart auf Hart", der ab heute im Buchhandel erhältlich ist, zeigt T.C. Boyle, dass er auch über die Gegenwart einiges zu sagen hat.
8. April 2017, 21:58
Hanser Verlag
Morgenjournal, 2.2.2015
Wann wird der amerikanische Traum zum Albtraum? Dieser Frage ist der große US-amerikanische Erzähler T.C. Boyle immer wieder auf den Grund gegangen. In "América" schilderte Boyle das Schicksal zweier mexikanischer Migranten, in seinem 2013 erschienen Roman "San Miguel" entwirft Boyle eine prosaische Variation des amerikanischen Siedlermythos und auch in seinem aktuellen Roman "Hart auf Hart" beschäftigt sich T.C. Boyle mit einem uramerikanischen Thema: Er stellt - wie einst Oscar-Preisträger Michael Moore - die Frage in den Raum, ob die Paranoia eine essentielle Zutat des amerikanischen Gründungsmythos ist.
Im Zentrum des Romans steht der jugendliche Amokläufer Adam, Sohn eines honorigen Vietnam-Veteranen. Adam baut Bunker im Wald, streift im Camouflage-Kampfanzug durch nordkalifornische Landstriche und eifert seinem Vorbild John Colter, einem Pionier des Wilden Westens, nach. Dass dieses Cowboy-und-Indianer-Spiel tödlich ausgehen wird, ahnt der Leser bald. Ein psychisch zerrütteter Junge, der Krieg spielt, in einem Land, in dem Waffen für jeden Bürger und jede Bürgerin problemlos zugänglich sind: Die Konstellation des Romans legt nahe, dass T.C. Boyles mit "Hart auf Hart" nicht zuletzt Kritik an den US-amerikanischen Waffengesetzen üben will.
Wenn der amerikanische Traum zum Albtraum wird
Charaktere, die von einer Obsession getrieben werden, haben T.C. Boyle als literarische Figuren immer schon interessiert. Und so ist auch die zweite Hauptfigur in "Hart auf Hart" eine Getriebene. Die 40-jährige Sara verliebt sich in Adam. Sara ist geschieden, etwas verbraucht, Country-Fan und fanatische Anhängerin der reaktionären und nicht minder bizarren Sovereign-Citizien-Bewegung. Wie Adam führt Sara einen diffusen Privatkrieg gegen "Mehrwertsteuernazis" und Bürokraten, gegen das Amerika der Konzerne und die Sicherheitsgurtpflicht. Boyle greift ein aktuelles Thema auf, denn die Sovereign-Citizien-Bewegung, diese hybride Mischung aus anarchischer Globalisierungskritik und radikal-republikanischem Deregulierungs-Mantra, hat in den USA in den vergangenen Jahren Schlagzeilen gemacht.
Für Sara und Adam mündet die radikale Suche nach individueller Freiheit, dieser ur-amerikanische Wert, im Verfolgungswahn. Und am Ende verschanzt sich Adam schwer bewaffnet im Wald, um auf imaginäre Feinde zu schießen. In "Hart auf Hart" spannt T.C. Boyle ein großes Gesellschaftspanorama auf, das die dunkle Seite Amerikas ausleuchtet. Der Roman entfaltet den Sog eines Thrillers, dessen Ausgang allerdings allzu vorhersehbar ist.