Von Ulrike Almut Sandig

Buch gegen das Verschwinden

Der zweite Erzählband der Berliner Autorin Ulrike Almut Sandig ist kein herkömmlicher. Die einzelnen Geschichten sind zwar für sich genommen abgeschlossene Einheiten, sie ordnen sich jedoch einer Idee unter: den Zauber des Erzählens gegen das Verschwinden ganzer Welten zu setzen.

Tatsächlich gibt es sehr gelungene Texte in dem Band: Die Geschichte, die vielleicht am intensivsten zu berühren vermag, ist der innere Monolog eines alten Mannes, der sich nach dem Tod seiner Frau Erika mit dem Verlust der Gefährtin abfinden muss. Das Thema "Verschwinden" wird in dieser Geschichte in allen Spielarten durchdekliniert.

Ulrike Almut Sandig offenbart ein beachtliches Potenzial als Erzählerin, das jedoch in diesem Werk recht uneinheitlich entwickelt scheint. Während etwa die Erzählung "Weit unter uns die flüssigen Felsen" von der verschwundenen Erika in sich rund und stimmig wirkt, auch sprachlich und stilistisch, irritieren in anderen Erzählungen inhaltliche Rätsel oder experimentell wirkende Stilmittel.

Sandigs Sprache besitzt ein beachtliches lyrisches Potenzial, um ungewöhnliche Bilder ist die Autorin nicht verlegen. Aber ihre lyrische Sprache klingt besonders dann etwas bemüht, wenn sie gegenüber anderen Passagen in zu starkem Kontrast steht und der Text dadurch uneinheitlich und unrhythmisch wirkt: Stilbrüche als Stilmittel sind zu hinterfragen, wenn die Atmosphäre des Erzählens dadurch unstimmig wird. Da rennt jemand über eine scheißnasse Wiese, ein Kind hat die Augen zu anstatt geschlossen, und der Sommer ist aus, anstatt zu Ende: Manches davon hätte einem guten Lektorat auffallen können.

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Ulrike Almut Sandig, "Buch gegen das Verschwinden", Schöffling & Co