"Randnotizen" von Alois Schörghuber

Worthülsen und andere inhaltsleere Sprachversuche

Vor Kurzem hatte ich es wieder einmal, dieses eine zur Verzweiflung bringende zweifelhafte Vergnügen: Ich war in privater Runde von Worthülsen-Akrobaten und -Akrobatinnen umgeben, von einer Suada hohler und leerer Phrasen, von sprachlichen Hülsenfrüchten, die viel her machen, in denen aber nichts drinnen ist.

Beispiel gefällig: "Also für mich sind die 'Werte der Familie' das wichtigste im Leben", sprach ein kinderreicher Familienvater, der es seinen Lieben ordentlich mit dem Rohrstab besorgt, wenn sie den unbedingten Gehorsam verweigern. Und seine Frau, "die gute Seele", nickte mit in ihrem Schoß gefalteten Händen ergeben Beifall.

Bei diesen "Werten der Familie" bekomme ich regelmäßig einen Blähbauch an Empörung. Was bitte ist das und wodurch unterscheiden sich diese von den Werten, die hoffentlich jeder friedliebende, Empathie-fähige und redliche Mensch ohnehin als erstrebenswert findet?

Interessant ist in solchen Fällen in der Regel nicht, was gesagt wird, sondern was mit dem was gesagt wird, nicht gesagt werden will. Was also verborgen werden soll. Denn vielleicht - diese Vermutung liegt nahe - verbirgt sich ja hinter wohlüberlegten hohlen Phrasen eine brisante Bedeutungsschwangerschaft?

Bedeutungs-Scheinschwangerschaft ist vielleicht der passendere Ausdruck, denn die besagten Sprecherinnen und Sprecher wollen ja partout nicht, dass ihr Wortkind tatsächlich das Licht der Welt erblickt.

"Airbag Rhetorik", mit diesem Begriff bezeichnen Rhetorik-Experten einen "Schwall von warmer Wortluft", der den Zuhörerinnen und Zuhören ins Gesicht weht, mit dem einzigen Ziel, die Sprechende oder den Sprechenden selbst zu wärmen. Politik-, Unternehmens-, Sport- und Religions-Sprachrohre sind besonders anfällig, diese Art des Airbags zu aktivieren.

Ein Beispiel für das "Dreschen von hohlen Phrasen" findet man auf der Plattform für Kommunikation rhetorik.ch in einem Ausschnitt aus einem Radio-Interview.

Wie Doppeldeutig und treffend ist da die Formulierung "hohle Phrasen" dreschen, wo viel Staub aufgewirbelt und kolossales Getöse gemacht wird, um ein "Nichts" zu ernten.

Daher ist es legitim und dringend notwendig die Kunst des "Nadelstechens" zu bemühen und den Airbag zum Platzen zu bringen. Nachfragen, Erklärungen einfordern oder gedankenloses Geplapper zu hinterfragen, charmant und doch ergebnisorientiert.

Leicht ist das nicht! Man kennt die Reaktionen: betretenes Schweigen, aggressives Gegen-Pressing, auch so ein worthülsenverdächtiger Gemeinplatz aus dem Fußball-Besserwisser-Talk, oder besonders beliebt, das Wechseln des Gesprächsthemas auf einen anderen hechtbefreiten Wort-Karpfenteich. Hechte sind nicht erwünscht, wenn die Karpfen stressfrei ihr Fett ansetzen wollen.

Die schwierigste Übung ist es schließlich, das eigene Karpfentum zu hinterfragen. Wie viele Worthülsenfrüchte produziert man selbst im Garten seines Meinungs-Biotops. Wie "situationselastisch" ist man? Grandios süffisant bezeichnete der Schauspieler Peter Simonischek dieses Wort des Jahres 2014 in einem Jahresrückblick als "klug gewählt".

Wie oft zum Beispiel hat man nicht schon das Wort "innovativ" verwendet, wenn man sich interessant machen wollte, oder authentisch, ganzheitlich und nachhaltig?

"Geh bitte, Bauchgefühl statt Hirnkarate", postulierte eine Anhängerin von Multitasking und Schwarmintelligenz ihre Überlebensstrategie. "Genau", solidarisierte sich eine Freundin, "auf die Gefühle kommt es an, wenn die stimmen, dann wird alles gut."

Eine nette Antwort auf eine "hohle Phrase" hörte ich vor kurzem in der Straßenbahn. Da sprach Person A zu einer Person B, die eine rote Schnupfennase hatte: "Hey, du schaust aber gut aus." Schnurrende Antwort von Person B: "Und du erst, Wahnsinn, fast so gut wie ich."

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