150 Jahre Ringstrasse

Die Wiener Ringstraße, einer der schönsten Boulevards der Welt, wird heuer 150 Jahre alt. Bis heute prägt die Ringstraße das Gesicht der österreichischen Hauptstadt. Der ORF widmet dem Ringstraßen-Jubiläum einen Programmschwerpunkt. Für den Kultursender ORF III entstand die dreiteilige Serie „Die Wiener Ringstraße. Trilogie eines Boulevards.“ Heute Abend wird Teil 1 ausgestrahlt.

Morgenjournal, 24.2.2015

Ringstraßenbau: Wien wird moderne Metropole

Bis Mitte des 19. Jahrhunderts ist die kaiserliche Residenzstadt Wien städtebaulich zurückgeblieben. Wien hinkt hinter modernen Metropolen wie Paris oder London hinterher. Es gibt keine Prachtboulevards und auch keine schnurgerade Straßen oder Stadtachsen. 1857 bestimmt Kaiser Franz Josef per kaiserlichen Erlass, dass die Wiener Stadtmauer geschleift werden soll. An ihrer Stelle soll ein repräsentativer Boulevard errichtet werden: Der Startschuss für ein städtebauliches Mammutprojekt. „Mit dem Bau der Ringstraße wurde Wien zu einer modernen Metropole. Kaiserliche Residenz war Wien davor auch schon, aber der Bau der Ringstraße markiert den Übergang Wiens von einer barocken Stadt zu einer modernen Weltstadt“, sagt Günter Kaindlstorfer, Regisseur der Reihe „Die Wiener Ringstraße. Trilogie eines Boulevards“.

Bürgerliche Repräsentationskultur

1866 erleidet Österreich bei Königgrätz eine vernichtende Niederlage gegen Preußen. Der Kaiser ist geschwächt. Österreich wird zu einer konstitutionellen Monarchie und im Reichsrat übernehmen die liberalen das Ruder. In der liberalen Epoche geht die Macht, zumindest teilweise, auf das aufstrebende Bürgertum über. Und dieses hat sich wohl nirgends so in Szene gesetzt wie in der Neugestaltung der Reichshauptstadt Wien. Die monumentalen Prachtbauten, die entlang der Ringstraße entstehen, sind der steingewordene Ausdruck eines neuen bürgerlichen Selbstbewusstseins. Die Innere Stadt gehörte mit ihren Kirchen und Adelspalais dem Klerus und der Aristokratie, die Ringstraße huldigte der aufgeklärten Kultur des Bürgertums. „Natürlich gehört die Ringstraße zu den großen europäischen Boulevards. Es ist einer dieser Orte, in denen sich das Bürgertum selber feiert.“, sagt der Historiker Philipp Blom.

Der Pomp vergangener Jahrhunderte

Die Palais des neuen Geldadels kopierten den Stil der aristokratischen Residenzen in der Innenstadt. Doch hinter den Fassaden mit ihrem historistischen Zierrat verbargen sich Wohnungen, die modernen Standards genügten und in Sachen Komfort so manchem zügigen, schlecht beheizbaren, oder feuchten Barockpalast den Rang abliefen. Hinter dem Pomp vergangener Jahrhunderte verbirgt sich modernste Ingenieurskunst. Ringstraßenarchitektur spricht eklektische Sprache des Historismus. Man imitiert die Größe der Vergangenheit: Die Gotik, das Barock, die Renaissance. Als Kultur der Überbietung, aufgebläht und übersatt, so bewertete Robert Musil die historistische Bauwut der Ringstraßenepoche in seinem Jahrhundertroman „Der Mann ohne Eigenschaften“. „In gewisser Weise ist die Ringstraßenarchitektur ein gigantischer Bluff. Wenn man es böse ausdrücken will, könnte man auch sagen, die Ringstraße ist eine Art Disneyland der Gründerzeit. Es ist eigentlich nichts wirklich echt an diesen Gebäuden. Das ist den Touristen die heute aus Japan, oder Brasilien, oder Skandinavien relativ gleichgültig, ob das Wiener Rathaus ein neugotischer Bau ist, oder wirklich aus dem 14. Jahrhundert stammt. Wenn man genauer hinschaut, muss man aber sagen: Da ist schon relativ viel Kulisse dabei“, sagt Günter Kaindlstorfer, Regisseur der Doku-Reihe „Die Wiener Ringstraße - Trilogie eines Boulevards“. Teil 1 ist heute Abend auf ORF III zu sehen.

Ö1 widmet dem Jubiläum Ende April einen umfangreichen Programmschwerpunkt.