Eine Geschichte der Psychoanalyse in Deutschland
Der Freud-Komplex
Wie verhielten sich die Deutschen zur Lehre Freuds? Wie dachten sie über das Ich, das Unbewusste und die Sexualität? Und was verrät die Freud-Rezeption über die "Leit- und Menschenbilder, die Ideale und Utopien, die Ängste und Hoffnungen einer Gesellschaft"? Das versucht Anthony Kauders herauszufinden.
8. April 2017, 21:58

ORF/JOSEPH SCHIMMER
"Eine fundierte und weitgespannte Geschichte der Psychoanalyse in Deutschland."
Mit seiner Geschichte der Psychoanalyse in Deutschland liefert der Autor keine kontinuierliche, lückenlose Erzählung der Freud-Rezeption, sondern eine Abfolge einzelner "Längsschnitte" oder "Deutungszäsuren", besonders signifikanter Momente.
Zitat
Erstaunlicherweise gibt es zur Rezeption der Psychoanalyse in Deutschland relativ wenig. Es gibt einige Bücher, die sich mit der Philosophiegeschichte, den Reaktionen der Philosophen und Theologen auf die Psychoanalyse beschäftigen. Aber die behandeln v.a. den frühen Zeitraum bis 1933.
Was ich mache ist, dass ich nicht diese Rezeption ausschließlich als Reaktion auf diese Analyse betrachte, sondern als Chiffre für andere Reaktionen, Gefühle, Vorstellungen innerhalb der deutschen Gesellschaft; für unterschiedliche Reaktionen auf Sexualität, Rationalität, Verdrängung, das Unbewusste usw. Und ich versuche, anhand dieser Reaktionen etwas herauszufinden über die jeweilige Zeit: über die Weimarer Republik, das Kaiserreich, die Bundesrepublik etc.
Die Geschichte der Psychoanalyse in Deutschland, die in Kauders' Darstellung 1913 beginnt, endet für den Historiker 1985 - weil "von nun an die Auseinandersetzung mit Freud kaum noch über gesellschaftliche Strömungen oder unterschiedliche Vorstellungen von Subjektivität Auskunft gibt".
Service
Anthony D. Kauders, "Der Freud-Komplex - Eine Geschichte der Psychoanalyse in Deutschland", Berlin Verlag
Mit dem "Freud-Komplex" liefert Anthony Kauders eine fundierte und weitgespannte Geschichte der Psychoanalyse in Deutschland, wie es sie bisher wohl noch nicht gab; eine Geschichte, die sehr gut lesbar ist und mit der Konzentration auf einzelne Jahre, die sogenannten "Deutungszäsuren", einer plausiblen und durchaus sinnvollen Dramaturgie folgt.