Ringstraßenausstellung im Jüdischen Museum Wien
"Die Ringstraße. Ein jüdischer Boulevard" heißt eine Ausstellung, die das Wiener Jüdische Museum (JMW) in der Dorotheergasse zum 150-Jahr-Jubiläum des Wiener Prachtboulevards ausgerichtet hat und die ab morgen geöffnet ist.
8. April 2017, 21:58
Die Schau erinnert an die großen jüdischen Familien des neunzehnten Jahrhunderts, die maßgeblich am Bau der Wiener Ringstraße beteiligt waren.
Morgenjournal, 24.3.2015
Ö1 Schwerpunkt
Link
Edmund de Waals Bestseller "Der Hase mit den Bernsteinaugen" machte vor fünf Jahren mit einem Schlag die Geschichte der jüdischen Familie Ephrussi und ihr Schicksal wieder einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Auch das prächtige Palais Ephrussi an der Ringstraße gegenüber der Universität ist dadurch heute wieder so manchem einen Begriff.
Die Ausstellung im JMW macht uns jetzt mit vielen solchen Ringstraßenpalais und deren Erbauerfamilien vertraut, die Namen wie Todesco, Lieben, Auspitz, Schey oder Köniswarter hatten. Einige dieser Palais wurden abgerissen, die Familienmitglieder haben sich durch Flucht und Verfolgung im Nationalsozialismus in alle Herren Länder zerstreut, aber vieles steht auch noch.
Visionäres Projekt des Kaisers
Möglich machte den jüdischen Bauboom an der Ringstraße ein Beschluss Kaiser Franz Josefs. "Dadurch ist die Möglichkeit entstanden, Grundbesitz zu erwerben und die Juden haben sich diesem visionären Projekt von Kaiser Franz Josef angeschlossen", erklärt die Direktorin des Jüdischen Museums Danielle Spera: "Der Kaiser hatte die Idee, die Innenstadt mit den Vororten zu verbinden und dadurch eine neue Stadt zu entwickeln. Damit ist er anfangs bei den Wienerinnen und Wienern nicht auf Begeisterung gestoßen, und die jüdischen Wienerinnen und Wiener sind dann beigesprungen."
Nicht nur, dass die jüdischen Bankiers und Industriellen Bauparzellen kauften und ihre Palais im historistischen Ringstraßenstil errichten ließen, sie unterstützten auch den Bau der großen Museen, Theater und Kulturinstitutionen an der Ringstraße. Denn, so Kuratorin Gabriele Kohlbauer-Fritz, diese Familien mussten und wollten sich gesellschaftlich profilieren.
Es waren auch teilweise jüdische Architekten, die die herrschaftlichen Palais am Ring und in seinem Umkreis errichteten. Fotografien, Stiche, Möbel und Objekte dokumentieren dieses jüdische Leben des oft nobilitierten jüdischen Großbürgertums.
Familien- und Sozialgeschichte
Die Ausstellung beschäftigt sich mit der Familien- und Sozialgeschichte über einige Generationen, mit der Rolle der Frau oder jener der beginnenden Psychoanalyse, die später in den Wohnungen des jüdischen Großbürgertums ihren Einzug hielt. Und die Schau zieht den Bogen sogar bis in unsere Tage, in denen die Restitution immer wieder aufs Neue, kaum bekannte Namen und Schicksale jüdischer Familien an der Ringstraße zur Diskussion stellt.
Interessant auch, dass ein erstes Jüdisches Museum einst an der Ringstraße eröffnet wurde, lange bevor, vor über zwanzig Jahren das Jüdische Museum in der Dorotheergasse seine Pforten öffnete. Dazwischen lag Zerstörung, Verwüstung und Vertreibung. Umso wichtiger ist es nun, an das viele Verlorene und aus dem Gedächtnis Gelöschte wieder zu erinnern.
Service
JMW - Ringstraße. Ein jüdischer Boulevard