FISCHER VERLAG
Erstlingsroman von Édouard Louis
Das Ende von Eddy
In seinem autobiografischen Roman erzählt der 22-jährige Soziologiestudent Édouard Louis vom Leben in einem ärmlichen Dorf in der nordfranzösischen Picardie: von Arbeitslosigkeit, Gewaltexzessen, Schwulenfeindlichkeit und "echten Kerlen". Das Buch wurde 2014 der Überraschungserfolg in Frankreich, nun liegt es in deutscher Übersetzung vor.
15. November 2019, 12:13
Ex libris, 24.4.2015
Gudrun Hamböck
Édouard Louis schildert eine rohe und hermetische Dorfwelt, in der jede Andersartigkeit geahndet wird. Das ist nichts Neues in der Literatur. Diese homosexuelle Coming-of-Age-Geschichte geht aber weit über alles Antiheimatromanartige hinaus. In schnörkelloser, die Dinge beim Namen nennender Sprache wird die innere Beschaffenheit einer Flucht dargestellt, die mit der Akzeptanz der eigenen Sehnsucht beginnt und mit dem Weggang aus dem Elternhaus noch nicht zu Ende ist.
Zitat
Meistens nannten sie mich Tussi, und Tussi war das schlimmste Schimpfwort, das es für sie gab… In ihrer Welt galt Männlichkeit derart unangefochten als das Größte, dass sogar meine Mutter von sich selber sagte "Ich lass mir nichts gefallen, ich hab schließlich Eier in der Hose".
Für sein Engagement gegen Homophobie wurde Édouard Louis mit dem Pierre Guénin Preis ausgezeichnet. Wie er in seine Ich-Erzählung die direkte Rede der Familie und Dörfler als konstitutiven Teil eines Bewusstseinsstroms einfügt, ist kunstvoll. Wie er die Geschichte - mal gerafft und mal gedehnt - vorantreibt, ökonomisch. Die wenigen kurzen soziologischen Exkurse sind dem Soziologiestudenten nachzusehen. Man merkt dem Buch an, dass es ein persönlicher Befreiungsschlag ist. Dennoch gelingt es, dass die Nähe zwischen Protagonist und Autor den Leser nicht tyrannisiert, sondern ihn umstandslos mitten hineinzieht ins warm pulsierende Zentrum einer Leidensgeschichte.
Service
Édouard Louis, "Das Ende von Eddy", Roman, aus dem Französischen von Hinrich Schmidt-Henkel, S. Fischer Verlag