Roman von Éric Vuillard

Kongo

Über die Kolonie Belgisch-Kongo, die zwischen 1876 und 1908 im Privatbesitz des Königshauses stand und dann bis 1960 von Belgien verwaltet wurde, sind bereits einige Bücher geschrieben worden. Der französische Autors Eric Vuillard hat ein weiteres geschrieben.

Timon Mikocki

Joseph Conrad nannte das Lebenswerk Leopolds in einem Essay "den abscheulichsten Beutezug, den die Menschheit je gesehen hat". Eine umfangreiche historische Analyse der Kongogräuel von Adam Hochschild, "Schatten über dem Kongo", beziffert die Morde während der Jahre 1888 bis 1908 mit zehn Millionen.

Vuillards Buch "Kongo" ist eine rhapsodische, eigenwillige Nacherzählung, die sich über weite Strecken an die Fakten hält, sich aber in Perspektive, Stil und Tonfall über die nüchterne offizielle Geschichtsschreibung hinwegsetzt. Die erste Hälfte des nur etwa 100 Seiten langen Buches erzählt von der Kongokonferenz und ihren Teilnehmern, die zweite von den raffgierigen Machenschaften im Kongo. Vuillard hebt intime und auch grausame Facetten hervor, sein Text hat eine deutliche persönliche Prägung.

Zwischendurch enthält Vuillards Text Kommentare zur Geschichte des freien Handels sowie kapitalismuskritische Anspielungen, die auf politische Verbindungen von der Vergangenheit in die Gegenwart hinweisen. Der Erzähler wohnt wie eine Fliege an der Wand den Ereignissen bei, manchmal lässt er auch Gegenstände wie etwa Möbelstücke als Zeugen berichten. Er beschreibt spitzzüngig die europäischen Kolonialisten und ihr stolzes Gebaren, aber auch ihren Ekel und ihre Alpträume.

Wer das leidgeplagte Schicksal des Kongos kennt, wird in Vuillards Erzählung eine spannende Neuschreibung und poetische Erweiterung finden, an der manche Aspekte fragwürdig bleiben. Wer allerdings von preziösen historischen Collagen abgeschreckt wird, sollte dieses Buch gar nicht erst zur Hand nehmen.

Service

Éric Vuillard, "Kongo", Roman, aus dem Französischen von Nicola Denis, Matthes & Seitz Verlag