Kurzessay zu Markus 14, 12 - 16. 22 - 26
„Lavasch“ nennen sie es, das dünne, helle Fladenbrot. Vor ein paar Tagen erst habe ich es gegessen, auf einer Rundfahrt durch Armenien. Hautnah konnte meine Reisegruppe in einem armenischen Haus miterleben, wie Lavasch nach alter Tradition gebacken wird.
8. April 2017, 21:58
Eine Frau kniet auf dem Boden und walkt den Teig aus. Eine zweite Frau schwingt ihn geschickt zwischen ihren Händen hin und her, bis er hauchdünn ist. Dann legt sie ihn auf eine Art Kissen, das von einem kleinen Holzbrett gestützt wird. Schließlich klatscht sie den Teig mit gekonntem Schwung an die Innenwand des Backofens, der in die Erde versenkt ist. Schon nach kurzer Zeit holt sie mit einer geschickten Handbewegung das heiße Brot aus dem aufgeheizten Loch und legt es zum Abkühlen auf ein weißes Tuch. Schicht für Schicht wächst so ein kleiner Berg von Fladenbrot, knackig frisch und himmlisch duftend. Und einladend zum Teilen...
Lavasch. Mehl, ein wenig Salz und Wasser: das tägliche Brot der Armenier. Seit dem Vorjahr von der UNESCO aufgenommen in die „Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit“. Auch als Kommunion gereicht in der Liturgie der „armenisch-apostolischen Kirche“, die sich für ihre Gründung selbstbewusst auf Thaddäus und Bartholomäus beruft. Das mag Legende sein, aber die beiden Apostel haben zweifellos Jesu „Letztes Abendmahl“ mitgefeiert, miterlebt.
Jesu Abschiedsmahl: Der Abschnitt aus dem Evangelium nach Markus erzählt aus nachösterlicher Sicht, - also Jahrzehnte nach Jesu Tod und Auferstehung. Er spiegelt die Feier der Eucharistie in den frühchristlichen Gemeinden wider. „Nehmend den Becher, eucharistésas, danksagend gab er ihn ihnen, und sie tranken aus ihm alle“, heißt es in Vers 23. Ein Stück gottesdienstlicher Überlieferung, sakramental geprägt. „Und während sie aßen, nehmend das Brot, benedicens, segnend, brach er es, gab es ihnen und sprach: Nehmt! Dies ist mein Leib“ (V.22).
Nehmen - segnen - brechen - geben: vier rituelle Handlungen im Er-Innern von Jesu Lebenshingabe und Auferstehung. Eingebunden, wie der erste Teil der heutigen Perikope nach Markus erzählt, eingebunden in ein doppeltes Frühlingsfest aus dem antiken Israel: Pessach – die Schlachtung von Lämmern als Ritual von Kleinvieh-Nomaden und Mazzot – das Fest der Ungesäuerten Brote, dem Leben von Ackerbauern entsprechend.
Brot und Leben: Ich stamme aus einer Bauernfamilie im nördlichen Weinviertel. Fronleichnam ist in meinem Heimatdorf immer groß gefeiert worden. Und vor genau 70 Jahren hat am Fronleichnamstag 1945 als Teil der kollektiven Vertreibung der deutschsprachigen Bevölkerung aus Mähren der sogenannte „Brünner Todes-Marsch“ begonnen. Brot und Tod. Meine Eltern haben eine Frau aus Feldsberg in unser Haus, in unsere Familie, aufgenommen. Ich verdanke ihr viel, sehr viel an Leben.
Fronleichnam, das heutige Fest, ist für mich keine äußere Demonstration, sondern eine innere Wirklichkeit. Wie jede Tiefen- oder Liebeserfahrung nicht leicht in Worte zu fassen. Ein eucharistisches Gedicht begleitet mich schon längere Zeit. Guillaume van der Graft, ein niederländischer Pfarrer, der vor ein paar Jahren als Neunzigjähriger gestorben ist, er hat diesen Text geschrieben. Peter Pawlowsky übersetzt ihn so:
„Wir sprechen Worte aus Brot / Lieder aus Wein verschütten wir /
wir horchen mit unseren Händen / mit unseren Lippen hören wir /
Worte aus Brot werden Fleisch / während der Wein sich zu Blut singt /
dann wachsen wir in die Zeit / zurück zum Tage der Schöpfung /
voraus ans Ende der Welt.“