Tbc an Schulen: Geheimhaltung unzulässig

Nach wie vor will das Gesundheitsservice der Stadt Wien nicht bekanntgeben, an welchen vier Schulen die jüngsten Tuberkulosefälle (Tbc) aufgetreten sind. Man wolle die Schüler an diesen Schulen nicht stigmatisieren, so die Gesundheitsbehörde. Manch ein Staatsbürger fühlt sich davon bevormundet: Man wolle selbst entscheiden, wie man den Risken des Lebens begegnet - auch wenn sie die Behörde als gering bezeichnet. Namhafte Juristen sagen jetzt, auch die neueste juristische Begründung der Wiener Gesundheitsbehörde für ihr Schweigen taugt nicht.

Morgenjournal, 19.6.2015

Scharfe Worte

"Wiener Stadtregierung behandelt Wiens Bewohner als zu bevormundende Vollpfosten" - mit diesen Worten hat sich auf Twitter jüngst ein Beobachter Luft gemacht- und er war nicht der Einzige. NEOS-Politikerin Beate Meinl-Reisinger hat im Sozialen Netzwerk geschrieben: "Als Mutter in Wien möchte ich bitte dringend wissen welche Schulen von TBC betroffen sind! Was soll das? Wie abgehoben ist das?"

Unklare Gefährdungslage

Im Falle TBC tun sich Unklarheiten auf, die Verständnis dafür aufkommen lassen, dass besorgte Bürger lieber selbst alles wissen wollen. Beispiel: Kann ich mich in der U-Bahn anstecken? Dazu Ärztin Sabine Gangl, vom Gesundheitsdienst der Stadt Wien, vor kurzem in der Sendung Wien Heute: "Man bekommt Tuberkulose keinesfalls bei kurzfristigem Kontakt in der U Bahn." Hingegen Arzt Bernd Lamprecht vom AKH Linz, vor kurzem in der Sendung Heute Österreich: "Ausgeschlossen ist das nicht, die Wahrscheinlichkeit ist jedoch nicht sehr hoch."

Informationspflicht

Angesichts unklarer Fakten hätten also manche Eltern und Schüler gerne möglichst viel gewusst, wie den Namen der betroffenen Schulen. Doch die Stadt Wien schweigt weiter. Zuerst hieß es Datenschutz - nach öffentlicher Juristenkritik ist man umgeschwenkt auf Tuberkulosegesetz. Genauso falsch, sagt Walter Berka, Universitätsprofessor für Öffentliches Recht an der Uni Salzburg: "Schulen sind keine natürlichen Personen, sie sind auch keine juristischen Personen. Schulen sind so große Kollektive, dass man auch in der Regel nicht auf die natürlichen Personen zurückschließen kann. Daher darf die Behörde sicherlich diese Informationen im Rahmen einer vernünftigen Informationspolitik heraus geben".

Ja, sie muss das sogar, stellt Heinz Mayer, emeritierter Universitätsprofessor für Öffentliches Recht an der Uni Wien fest: "Der Artikel 10, Absatz 1, der Menschenrechtskonvention gewährt den Bürgern ein Recht auf Zugang zu Informationen. Das heißt zwar nicht, dass die Behörden alle Informationen beschaffen müssen, die sie nicht haben. Aber die, die sie haben und die sie nicht aus besonderen Gründen geheim halten dürfen, die müssen sie dem Bürger geben. Es gibt mittlerweile auch Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes."

Die Schulnamensnennung herausklagen? Denkbar, meint Walter Berka: "Einzelne könnten sich etwa - gestützt auf das Auskunftspflichtgesetz - durchaus auch auf einen Rechtsanspruch in dieser Sache berufen. Das durchzusetzen ist freilich ein mühsamer Weg".

Gesundheitsministerium blockt ab

Unterdessen meldet sich FPÖ-Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch-Jenewein, in einer Presseaussendung zu Wort: Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) solle der Wiener SPÖ-Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely eine amtliche Weisung erteilen, die Schulnamen zu veröffentlichen. Dazu Verfassungsrechtsexperte Mayer: "Das halte ich für zulässig, weil die Gesundheitsverwaltung der Stadt Wien in diesem Punkt dem Gesundheitsministerium untersteht. Und nachgeordnete Organe können eine Weisung bekommen von ihren vorgesetzten Organen - wenn diese Weisung rechtmäßig ist, und das wäre sie wohl."

Der Chefjurist des Gesundheitsministeriums, Gerhard Aigner, sagt dazu: Das Ministerium wird diese Weisung nicht erteilen, der Privatsphäre-Artikel in der Menschenrechtskonvention sei gleich wichtig wie der Informationsartikel. Die Schulen bleiben also ungenannt.