Dokumentarfilm "Camino de Santiago"
Warum gehen Menschen freiwillig hunderte oder tausende Kilometer zu Fuß quer durch Europa, um an ein gemeinsames Ziel im Nordwesten Spaniens zu gelangen? Ein vierköpfiges Team rund um die beiden Regisseure Jonas Frei und Manuel Schweizer haben Pilger/innen verschiedener Kulturen begleitet.
8. April 2017, 21:58
Kulturjournal, 7.7.2015
"Der Jakobsweg beginnt in jedem Haus" lautet ein spanisches Sprichwort. Vor allem jetzt im Sommer machen sich wieder Tausende Menschen aus unterschiedlichsten Regionen auf den Weg nach Santiago de Compostela, um die Faszination des Pilgerns zu erfahren. Nicht wenige von ihnen wissen ihre Erfahrungen außerdem gut zu vermarkten. Literatur über den Jakobsweg füllt in Buchhandlungen mittlerweile ganze Regale und auf Blogs oder YouTube-Kanälen finden sich zahllose Berichte über den "camino".
Ein vierköpfiges Team rund um die beiden Regisseure Jonas Frei und Manuel Schweizer machte sich selbst auf den Weg von der Schweiz nach Santiago de Compostela - allerdings nicht, um, wie so viele, die eigenen Erfahrungen zu dokumentieren, sondern um unterwegs andere nach deren Motiven und Eindrücken zu befragen.
Vielstimmiges Pilgerporträt
Mehr als 80 Pilgerinnen und Pilger hat das Team jeweils ein Stück ihres Weges begleitet und so die Vielfalt der Kulturen, Sprachen und Beweggründe eingefangen, denen man auf dem 1000 Jahre alten Pfad begegnet. Gefilmt wurde einen Monat lang chronologisch vom Ausgangsort St. Gallen bis Santiago und Finisterre.
Luftaufnahme mit Drohnenflug
Mit im Gepäck hatte das Team eine Drohne, die eindrucksvolle Luftaufnahmen der Kathedralen von Burgos, León oder Santiago erlaubte, aber auch von Landschaften und Sehenswürdigkeiten unterwegs. Transportiert wurde sie, ebenso wie Kamera und Stativ, größtenteils auf dem Gepäckträger. Denn das Team legte die zweitausend Kilometer lange Strecke auf dem Fahrrad zurück, erzählt Co-Regisseur Manuel Schweizer.
Spiritualität und Profit
Es geht im Film um die spirituelle Komponente, aber auch um die rasant steigende Popularität des Jakobswegs in den letzten Jahren. Herbergswirte, sogenannte "Hospitaleros" kommen zu Wort, außerdem Anrainer, für die der Jakobsweg, vor allem in Galizien, in den letzten Jahren zur lebensnotwendigen Einkommensquelle geworden ist.
Boom & Vermarktung
68 Pilgerinnen und Pilger waren im Jahr 1970 verzeichnet, die den Weg nach Santiago de Compostela absolviert hatten. Im Pilgerbüro war eine einzige Person für die Ausstellung der Urkunden zuständig, die den Pilgern ihre Ankunft in Santiago und somit das Ende der Wallfahrt bescheinigte, erzählt ein Priester im Film. Wenn die zuständige Person nicht da war, musste man einfach am nächsten Tag wiederkommen.
Heute kümmert sich ein ganzes Team um die ankommenden Scharen. Im Vorjahr waren es 237.800, die im Büro neben der Kathedrale um ihr Pilgerzertifikat anstanden. Vor allem auf den letzten 100 Kilometern des Weges machen sich die teils schon absurden Auswüchse seiner Vermarktung bemerkbar, auch davon erzählt der Film.
Meditatives Porträt
Insgesamt ist der Dokumentarfilm "Camino de Santiago" eine meditative Annäherung an den Weg und seine Pilger. Vieles kann angesichts der Fülle von Stimmen nur gestreift oder angedeutet werden, und so lässt der Film eine gewisse Tiefe vermissen. Für alle, die sich in naher Zukunft selbst auf den Weg machen, oder gerade von Santiago zurückkommen, ist er aber ein stimmiges Porträt mit schönen Momenten und Bildern.