Off-Theater in Avignon

In der südfranzösischen Stadt Avignon findet jedes Jahr im Juli eines der berühmtesten Theaterfestivals der Welt statt, das Festival d'Avignon. Genauso berühmt ist das Off-Festival zum Festival, das heuer schon zum 50. Mal stattfindet.

Bis 26. Juli werden 1.336 Theaterstücke aufgeführt in traditionellen Theatern, aber auch in Schulen, Geschäftsräumen oder Garagen. Dass dieses Riesenspektakel funktionieren kann, liegt nicht an den staatlichen Subventionen, denn die gibt es nicht. Es liegt am Engagement der großen und kleinen Theatergruppen, die hier auftreten.

Kulturjournal, 10.7.2015

Akkordeonklänge auf dem riesigen Platz vor dem Papstpalast in Avignon. Wenig weiter sieht man die Performance eines japanischen Künstlers, der Flugzettel verteilt und erklärt, dass er bei der abendlichen Vorstellung alle Rollen selbst spielen wird. Unverdrossen schleppt er sich kostümiert durch die Hitze um zu verhindern, dass er am Abend allein im Theater steht, denn die Konkurrenz ist groß: 1.336 Theaterstücke werden gezeigt, ein neuer Rekord, freut sich der langjährige Direktor des Festivals Greg Germain: "Es gibt jedes Jahr mehr Theatertruppen, mehr ausländische Produktionen. Das zeigt, dass das Festival das ist was es sein soll: In Avignon sind die Stimmen der Welt zu hören."

Ganze Stadt wird zur Spielstätte

Zu den französischen kommen heuer 126 ausländische Theatertruppen aus 27 Ländern. Der Andrang ist groß, jedes Jahr gibt es neue Spielstätten, die für einen Monat in Schulen, Hinterhöfen oder auch in Geschäftslokalen eingerichtet werden und auch neue kleine Theater. Salvatore Caltabiano hat vor einem Jahr dem Besitzer einer alten Villa mitten in der Stadt seine Garage abgekauft, nach monatelangen Renovierungsarbeiten ist sie nicht wiederzuerkennen, ein kleines Theater mit 49 Plätzen ist entstanden. "Es gibt sehr viele Truppen die hier nach Theatern suchen um zu spielen, wir hatten viele Anfragen und so konnten wir aussuchen wen wir nehmen, denn die Anfrage ist größer als das Angebot."

Vielfalt, Freiheit und Unabhängigkeit

Zwischen 2.000 und 20.000 Euro, je nach Theatergröße, Standort und Beginnzeit zahlen die Theatergruppen um 24 Tage lang einmal täglich auftreten zu können. Das Angebot ist übergroß, der typische Avignon-Besucher sieht mindestens zwei bis drei Stücke pro Tag. Es gibt von allem etwas: One-Man- oder One-Woman-Shows werden gezeigt, Komödien ebenso wie große Klassiker von Moliere über Racine, die Fabeln von La Fontaine fürs jüngere Publikum, und selbstverständlich Adaption zeitgenössischer Romane oder Theaterstücke; die Unterdrückung algerischer Frauen wird thematisiert, Einwandererschicksale werden beschrieben.

Vielfalt, Freiheit und Unabhängigkeit sind das Motto des Festivals. Darauf dass es sich selbst finanziert ist man zwar stolz, doch bleibt auch gar keine andere Wahl, betont Greg Germain. Aber vielleicht funktioniert es gerade deshalb so gut. Viele der kleineren Theatergruppen und Schauspieler müssen unter dem Jahr sparen, um sich den Auftritt in Avignon leisten zu können, denn durch die Zuschauereinnahmen allein ist das Abenteuer Avignon nicht finanzierbar. Trotzdem wissen sie, dass sie nächstes Jahr wieder kommen, denn hier dabei zu sein ist alles, sagen sie.