"Am grünen Rand der Welt" von Vinterberg
"Far from the Madding Crowd" - dieses Buch gehört in Großbritannien zur Pflichtlektüre. 1874 erschienen, wurde der bekannteste von Thomas Hardys Wessex-Romanen schon oft für Bühne oder Kino adaptiert. Nun hat sich auch der dänische Filmemacher Thomas Vinterberg des Literaturklassikers angenommen.
8. April 2017, 21:58

20TH CENTURY FOX
Für Vinterberg, der dem Publikum sonst meist schwere Filmkost serviert, ist es ein ungewöhnlicher Stoff. In "Die Jagd" oder "Das Fest" thematisierte er etwa sexuellen Missbrauch von Kindern. Und nun also eine romantisch angehauchte Literaturverfilmung "Am grünen Rand der Welt" - mit Carey Mulligan und Tom Sturridge in den Hauptrollen.
Mittagsjournal, 15.7.2015
Die Geschichte einer starken Frau
Noch Kunst oder schon Kitsch ist hier die Frage - und wie die Antwort darauf ausfällt, hängt wohl vor allem davon ab, ob man vor dem Kinobesuch Thomas Hardys Originalroman gelesen hat oder nicht. Auf seine Essenz reduziert, zurückhaltend und dabei recht nah an der literarischen Vorlage erzählt - mögen die einen sagen. Fadisierender Kostümfilm mit oberflächlich gezeichneten Figuren, die anderen.
"Am grünen Rand der Welt" erzählt die Geschichte einer starken Frau: Bathsheba Everdene, die die Farm ihres Onkels erbt, sich als Gutsherrin behaupten und zugleich zwischen drei Männern entscheiden muss: zwischen einem wohlhabenden Junggesellen, einem jungen wie umtriebigen Offizier und einem Schäfer, der sie schon seit Jugendtagen verehrt.
Beim Lesen der ersten Drehbuchfassung, habe er den Roman noch nicht gekannt, erzählt Regisseur Thomas Vinterberg: "Ich wusste nicht viel über Thomas Hardy. Ich habe das Skript gelesen und mich in den Stoff verliebt. Dann habe ich den Roman gelesen, mit diesen universellen wie modernen Figurenzeichnungen. Fast demütig habe ich dann entschieden keinen Thomas Vinterberg, sondern einen Thomas Hardy Film zu machen."
"Reiches Innenleben der Figuren zeigen"
Tatsächlich ist "Am grünen Rand der Welt" ein Film, der nicht wirklich in das Gesamtwerk Vinterbergs passen will. Er, der einst mit Lars von Trier die "Dogma95"-Bewegung aus der Taufe gehoben hat, Radikalität im Regelbruch und künstlerische Eigenständigkeit immer wieder einforderte und auch einlöste. Aber, so Vinterberg: "Das, was ich bisher gemacht habe, ist das erste, was ich bei einem neuen Projekt hinter mir lassen will. Jeder Film hat seine eigene Natur. Vor 20 Jahren, bei den Dogma-Filmen, ging es mir darum in der filmischen Form so nackt wie möglich zu bleiben. Reduziert auf die Essenz. Und das glaube ich, versuche ich in gewisser Weise auch hier: durch Nebel und Kostüme hindurch in die Figuren hineinzukommen, um ihr reiches, inneres Leben zu zeigen."
Eingerahmt von den Landschaften Südenglands sind es dabei aber gerade die Charaktere, die im Film höchstens erahnen lassen, welche Geschichten sie mit sich herumtragen. Die von einer prägnanten Stelle des Romans zur nächsten springen, um dann Entscheidungen zu treffen, zu denen sie sich auf den Seiten dazwischen durchgerungen haben. Warum wer was macht, wirkt auf der Leinwand für diejenigen, die diese Seiten nicht gelesen haben, dann willkürlich, manchmal fast naiv.
Die Fans seiner früheren Filme beruhigt der Regisseur jedenfalls: Sein nächster Film werde wieder ein Thomas-Vinterberg-Film sein, während "Am grünen Rand der Welt" ein Thomas-Hardy-Film sei.