Nantes - eine Stadt im Wandel

Von der Industriestadt zu einer der neuen Kunst- und Kulturstätten Frankreichs - diese Wandlung ist der westfranzösischen Stadt Nantes gelungen. In den Sommermonaten Juli und August verwandelt das Festival "Le voyage à Nantes" (Die Reise durch Nantes) die ganze Stadt in ein Freilichtmuseum moderner Kunst mit Werken von internationalen und regionalen jungen Künstlerinnen und Künstlern.

Kulturjournal, 11.8.2015

Eine Industriestadt zu einer Kulturstadt zu machen, das ist kein leichtes Unterfangen, allerdings ein sehr lohnenswertes, wie es in Österreich eindrucksvoll am Beispiel von Linz zu sehen ist. Eine ähnliche Entwicklung ist auch der westfranzösischen Stadt Nantes gelungen: Mit großem politischem Engagement im Kunst- und Kulturbereich hat die etwas mehr als 280.000 Einwohner zählende Stadt ihre Identitätskrise überwunden. Heute gilt sie mit zahlreichen Musik- und Kunstfestivals als eine der aufstrebenden Kommunen Frankreichs.

Man folge der grünen Markierung

Eine grüne Markierung auf den Gehsteigen ist der zwölf Kilometer lange Leitfaden des Kunstfestivals. Er führt die Besucher von der Mondlandschaft auf der Loire-Insel, vorbei an einem gekrümmten Fußballfeld, das nur durch den Blick in einen gigantischen Spiegel in seiner gewohnten Form zu erkennen ist. Die Linie zieht sich von klassischen Museen und modernen Ausstellungsräumen bis hin zum ehemaligen Schloss der bretonischen Herzöge.

Nicht weit davon entfernt hat der Pariser Künstler Baptiste Debombourg seine Installation "Stellar" aufgebaut: 1000 Stühle reihen sich auf einem Platz im Stadtzentrum, ausgehend von den Terrassen der Cafés aneinander und drehen und schlingen sich in hohem Bogen vom Platz aus in die Luft: "Ich wollte hier den Gedanken einer fliegenden Skulptur bis zum Maximum ausreizen. Der Sockel dieser Form sind die Terrassen der umliegenden Cafés. Man kann es als Atom interpretieren, aber auch als Sternenform."

Die Stadt als Freilichtmuseum

Nicht weit vom Zentrum von Nantes entfernt, auf der Insel inmitten von zwei Flussarmen der Loire, wölbt sich eine Landschaft aus Kunststoff den Boden entlang: Es ist eine künstliche Mondlandschaft. In ihren runden Kratern, sind Trampolinnetzte gespannt. Dort hüpfen Kinder quietschend auf und ab, sagt einer der Besucher: "Dort drüben auf dem Kran ist ein Ballon aufgehängt, der die Erde zeigt. Und wir können sie hier aus der Sicht des Mondes betrachten." Diese Installation das französischen Künstlers Bruno Peinando, ist nur eines von vielen Projekten der Voyage à Nantes, die die Stadt im Sommer in ein Freilichtmuseum moderner Kunst verwandelt.

43 Millionen Euro verdient

Diese Kunstinstallationen der Voyage à Nantes sind das sommerliche Aushängeschild der Agentur Voyage à Nantes, die seit vier Jahren Kultur und Tourismus als einen der wichtigsten Wirtschaftszweige der Stadt vereint, sagt Johanna Rolland, die sozialistische Bürgermeisterin der Stadt: "Dieses Jahr sind 17 Künstler aus Nantes und Umgebung in der Stadt ausgestellt. Die Voyage à Nantes ist ein sehr verbindendes Ereignis für die Stadt: 200 Händler sind daran beteiligt, fünf Universitäten, 21 Partner im Kulturbereich. Das Ganze ist ein kollektives Abenteuer. Vergangenen Sommer haben 540.000 Menschen Nantes besucht, wir haben 43 Millionen Euro dadurch verdient, das zu sagen ist vielleicht nicht poetisch, aber es ist wichtig für eine wachsende Metropole wie unsere."

Kultur - ein Weg aus der Depression

Eine wachsende Metropole, alles andere als das war Nantes vor 20 Jahren: Denn Ende der 1980er erlebt die Stadt den Schock der Deindustrialisierung: Die Keksfabrik Petit Lu zieht ab, die Schiffswerften schließen, die Stadt fällt mitsamt ihren Bewohnern in eine Depression. Nirgendwo in Frankreich ist die Anzahl der Alkoholiker so groß wie in der ehemaligen Hauptstadt der Bretagne. Kulturprogramm gibt es so gut wie keines. Doch dann beschließt die sozialistische Stadtregierung ab den 1990ern, genau darin zu investieren, sagt Jean Blaise, der die Kulturpolitik der Stadt entscheidend mitgeprägt hat und heute die Agentur Voyage à Nantes leitet:

"In den 90er Jahren haben wir das erste große Festival organisiert, das der Stimmung in der Stadt wieder gehoben hat. Das war der Start des kulturellen Neubeginns der Stadt. Alle zwei Jahre laden wir die Haushohen Marionetten von Royale Deluxe nach Nantes ein. Und wir haben mit Les folles journées ein Klassikmusik-Festival auf die Beine gestellt, über das in ganz Frankreich gesprochen wird. Und in der ehemaligen Keksfabrik Petit Lu ist ein Kultur- und Ausstellungszentrum entstanden, wodurch ein wichtiger Ort der Stadt eine neue Aufgabe gefunden hat. Außerdem haben wir entlang des Loire-Flusses ein Festival zeitgenössischer Kunst eröffnet, weil Kunst im öffentlichen Raum für diese Stadt schon immer eine wichtige Rolle gespielt hat."

Viele Installationen bleiben

Durch die Kunstfestivals der Stadt, verändert sich auch der öffentliche Raum nach und nach, sagt Jerome, der seit zehn Jahren in Nantes lebt: "Viele der Installationen, die im Sommer für die Voyage à Nantes aufgebaut werden, bleiben. So wie dieser Basketball-Baum hinter mir, oder ein Drache neben dem Schloss. Sie gehören jetzt zur Stadt."

Auch die Hallen der ehemaligen Schiffswerften von Nantes, werden seit mehr zehn Jahren wieder belebt: Von einer Gruppe von Künstler/innen und Mechaniker/innen, die dort gigantische, bewegliche Tiere aus Holz und Stahl bauen. Frei nach den fantastischen Romanen des Schriftstellers Jules Verne, der gleich am anderen Ufer der Loire geboren wurde. Das bekannteste von ihnen, ist ein riesiger Elefant, zwölf Meter hoch, 50 Tonnen schwer. Angetrieben von einem Dieselmotor bewegt er sich jeden Tag über die Insel und transportiert in seinem Bauch Besucher, auf ihrem Weg auf der Voyage à Nantes.