Festspiele Mecklenburg-Vorpommern

Konzerte in einer Scheune bei Kerzenlicht, in der Fabrikhalle eines Schiffspropeller-Produzenten oder Fahrrad-Konzerte, die man sich radelnd anhört. Solches bietet den ganzen Sommer lang das Musikfestival in der pittoresken Landschaft von Mecklenburg-Vorpommern.

Kulturjournal, 19.8.2015

In der Scheune von Ulrichshusen

Woran denken Sie, wenn Sie Mecklenburg-Vorpommern hören? An Rügen und Thomas Mann, hohe Arbeitslosigkeit und Neonazis? Aber das deutsche Bundesland hat mehr zu bieten. Es ist vor allem landschaftlich und kunsthistorisch besonders reizvoll. Viele der historischen Gebäude sind nicht zu Tode restauriert, weil das Geld fehlt, und besitzen daher noch eine gewisse alte Aura, die sehr malerisch wirkt. Das Bundesland bietet außerdem seit 25 Jahren eines der musikalisch reichsten deutschen Festivals - die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern, die von Juni bis September dauern.

Abendkonzert in einer Scheune - mit Kerzenlicht und Musik. Was für eine Atmosphäre! Draußen zirpen Grillen, und die Sterne leuchten am Firmament. Die Scheune, heute einer der größten Konzertsäle des Nordens, wurde 1994 von Yehudi Menuhin mit einem Konzert eingeweiht. Sie gehört zu dem Renaissanceschloss Ulrichshusen. Ein herrlicher Ort für Konzerte.

Werkstatt, Meisterklassen und Konzerte

Am selben Tag konnte der Festivalbesucher nachmittags in der Festspielscheune dem bekannten Münchener Geigenbauer Peter Erben bei seiner Arbeit über die Schulter schauen. "Wie eine Bratsche entsteht", lautete das Thema der "Offenen Werkstatt". Eine Werkstatt mit allem Drum und Dran wurde dafür in Szene gesetzt.

Der musikalische Tag, einer von vielen während der von Juni bis September dauernden Festspiele Mecklenburg-Vorpommern, begann vormittags im 11.00 Uhr mit einer Meisterklasse im Schloss: Der junge Bratschist Nils Mönkemeyer hielt im Schloss, bei der Scheune, eine Meisterklasse.

Um 14.00 Uhr dann ein Konzert mit Eiführung in der Scheune, mit einem Werk, dass die Festspiele bei dem deutschen Komponisten Philipp Maintz in Auftrag gegeben hatten, für Viola und Klavier. Drei Tage lang drehte sich alles um die Viola. Ein Mini-Festival während der Festspiele.

Zu 90 % von Sponsoren finanziert

Spannend bei diesen Festspielen: Sie sind nicht nur einfach eine mehr als zwei Monate dauernde Aneinanderreihung von Konzerten. Jedes Jahr, und das seit 25 Jahren, bemühen sich diese zu fast 90 Prozent von Sponsorengeldern finanzierten Festspiele, verschiedene Themenschwerpunkte zu bieten.

In diesem Jahr zum Beispiel "360 Grad Viola", "Pavillons der Jahrhunderte", "Meisterpianisten", "Junge Elite", "Landpartie" mit Spaziergängen durch die malerische Landschaft des Bundeslandes - plus Musik und kleine Häppchen. 124 Konzerte, finanziert mit einem Budget von weniger als 10 Millionen Euro. Ein reiches Programm für ein Bundesland, das sonst im Ausland eher für seine schlechten Wirtschaftswerte und Arbeitslosenzahlen bekannt ist.

Kurioses an "unerhörten" Orten

Intendant der Festspiele ist Markus Fein: "Wir beziehen dieses Festival auf die Orte und wollen mit dem Festival Geschichten erzählen, die dieses Bundesland zu erzählen hat. Ungefähr die Hälfte unserer Besucher kommt aus der Region. Die andere Hälfte aus Hamburg, aus Berlin, aus Schweden. Es ist eine gute Mischung."

Eine gute Mischung wie die Festspiele. Konzerte in Scheunen, Burgen und Schlössern oder Open Air: mit Musik vom Mittelalter bis Klezmer, mit Orchestern und Solisten, für Kinder, mit Newcomern und Weltstars. Intendant Fein geht es darum, seinem Publikum immer wieder Konzerte auch an ungewöhnlichen Orten zu bieten. An "unerhörten" Orten: wie beispielsweise in der Fabrikhalle eines Schiffspropellerproduzenten im pittoresken Waren, in einem Rettungsturm in Binz und auch in der Druckerei, der Versand- und der Sortierhalle der Tageszeitung "Nordkurier". Dort wurden zunächst Verrisse der dann aufgeführten Konzerte vorgetragen.

Kurios und gut besucht sind auch die Fahrradkonzerte der Festspiele, eine neue Idee des Intendanten. Radelnd nähert man sich der Musik und den Aufführungsorten. Neu ist auch ein anderes Mini-Festival während der Festspiele: das Kammermusikfestival der jungen Elite auf dem Schloss Bothmer.

Julia Fischer, Klaus Maria Brandauer oder Kent Nagano

Wie es Markus Fein gelingt mit einer nicht gerade gigantischen Geldsumme so musikalisch ideenreiche Festspiele auf die Beine zu stellen ist ein Wunder. Immerhin tritt nicht nur preiswerter Nachwuchs auf, sondern auch Stars wie die Geigerinnen Anne-Sophie Mutter und Julia Fischer, die Schauspieler Klaus Maria Brandauer und Ulrich Tukur sowie bedeutende Dirigenten wie Kent Nagano und Michael Sanderling.

Wirklich reizvoll für den Besucher von auswärts: ein Besuch des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern, reich an romantischen Landschaften und historischen Gebäuden, wird mit dem Besuch von Festspielen an kuriosen und ungewöhnlichen Orten und mit einem so vielseitigen Programm eine mehr als runde Sache.

Service

Festspiele Mecklenburg-Vorpommern 20. Juni bis zum 19. September