Karl-Markus Gauß' "Alltag der Welt"
Der Salzburger Autor Karl-Markus Gauß begleitet als scharfzüngiger Chronist das Zeitgeschehen. Nun liegt Band fünf seiner Journale vor: "Der Alltag der Welt". "Ich schreibe, um etwas von der Welt ins Ich zu bergen und etwas von mir in die Welt zu retten", ist darin etwa zu lesen.
19. Jänner 2019, 17:47
ORF
Morgenjournal, 24.8.2015
Karl-Markus Gauß hat sich als Experte für ethnische und religiöse Minderheiten in Europa einen Namen gemacht. Er hat die Ränder des Kontinents mit ihren vielen vergessenen und verdrängten Kulturen erkundet - als Reisender und als Autor. Darüber hinaus begleitet er als scharfzüngiger Chronist das Zeitgeschehen - nachzulesen ist das unter anderem in seinen Journalen. In vier Bänden hat er seine Aufzeichnungen veröffentlicht - heute kommt der fünfte in die Buchhandlungen: "Der Alltag der Welt. Zwei Jahre, und viele mehr".
Das Buch beginnt ziemlich schmerzhaft - mit dem 57. Geburtstag im Mai 2011 und einem Bandscheibenvorfall. Für den Autor hat das einen "Ouvertüren-haften Charakter, wie der Eintritt ins Alter". Und so treffen wir am Beginn auf einen melancholischen Autor - Karl Markus Gauß, der der Vergangenheit nachtrauert und das Verschwinden beklagt - das Verschwinden von Wörtern, wie den "Fräuleins" und "Hagestolzen", aber auch der klappernden Schreibmaschinen in den Ämtern und Behörden.
Erfrischend treffsicher
Einmal mehr nimmt Karl-Markus Gauß Alltagsbeobachtungen, Autobiografisches und Anekdoten zum Ausgangpunkt für seine Reflexionen. "Ich schreibe, um mir etwas von der Welt ins Ich zu bergen und etwas von mir in die Welt zu retten", schreibt er gegen Ende des Buches. Es ist die Welt der Jahre von 2011 bis 2013.
So viel gleich vorweg: Es ist lohnend für den Leser, die Leserin Karl-Markus Gauß dabei zu folgen. Jenseits von Moden und Trends schreibt Gauß an seiner Chronik der Welt- und Selbstbeobachtung - mit erfrischender Treffsicherheit, immer wieder unterlegt mit Ironie oder auch polemisch zugespitzt. Wenn er etwa nach den Krawallen in Großbritannien im August 2011 über Konsumismus nachdenkt oder über die Welt nach Fukushima, über das Roulette auf den Finanzmärkten, Ratingagenturen und Zocker im Allgemeinen und über Griechenland im Besonderen.
Die Arbeit am Journal wird jedenfalls fortgesetzt. Aktuell mit den Eindrücken nach einer Moldawien-Reise, von der Karl-Markus Gauß eben zurückgekehrt ist und mit dem Versagen der großen Politik bei der Unterbringung von Flüchtlingen. Der Autor, selbst Kind von Flüchtlingen aus der Vojvodina, erinnert daran: "1945 gab es gigantische Flüchtlingsströme, die zu bewältigen waren und übrigens auch bewältigt wurden."
Service
Live zu hören ist Karl-Markus Gauß am kommenden Donnerstag, den 27. August beim Wiener Literaturfestival O-Töne im Museumsquartier.
Karl-Markus Gauß, "Der Alltag der Welt - Zwei Jahre, und viele mehr", Zsolnay