Macht und Widerstand
Einen plakativ-programmatischen Titel hat Ilija Trojanow für seinen neuen Roman gewählt. Entstanden ist eine literarische Abhandlung über den sogenannten „realen Sozialismus“ am Beispiel Bulgariens.
8. April 2017, 21:58

Sozialistische Plattenbaurealität in Bulgarien
ORF/JOSEPH SCHIMMER
Ein Autor, bei denen politisches Engagement und literarische Kunstfertigkeit nahezu reibungslos zusammenkommen, ist der in Wien lebende, gebürtige Bulgare Ilija Trojanow. Ein Weltenreisender, eines seiner früheren Bücher trug auch den Titel „Der Weltensammler“, und ein empörter Kritiker des Spätkapitalismus und seiner Auswüchse. „Der überflüssige Mensch“ nannte sich ein vor zwei Jahren erschienener, höchst lesenswerter Aufsatz zum Thema.
Ilija Trojanow
"„Also, mein Herz schlägt ganz eindeutig auf der Seite des Antihierarchischen, Antiautoritären, Basisdemokratischen. Ich verurteile und lehne alles ab, was glaubt, dass der Mensch in irgendeiner Weise reguliert, geknechtet, eingeschränkt werden muss zu seinem eigenen Wohl."
Ilija Trojanow blickt auf eine bewegte Lebensgeschichte zurück: Als Sechsjähriger floh der gebürtige Bulgare mit seiner Familie über Jugoslawien und Italien nach Deutschland. Er wurde in der deutschen Sprache heimisch, auch als sein Vater einige Jahre später nach Kenia übersiedelte. Trojanow besuchte die deutsche Schule in Nairobi und machte dort die Matura.
In seinem neuen, mit Spannung erwarteten Roman kehrt der 50jährige Autor in sein Geburtsland Bulgarien zurück: In „Macht und Widerstand“ entwirft Trojanow ein Panorama der kommunistischen Epoche, die bis heute wie ein Alptraum auf der bulgarischen Gesellschaft lastet – auch weil sie so wenig aufgearbeitet wurde.

"Ich bin vorgegangen wie ein Historiker. Das heißt: Feldforschung. Man muss ja die Überlebenden interviewen, bevor sie sterben."
APA/Arno Burgi/DPA
Ein halbes Jahrhundert Gewaltgeschichte: Die osteuropäischen Traumata des Zwanzigsten Jahrhunderts fokussieren sich in Ilija Trojanows Roman im Schicksal zweier Männer, die konträrer nicht sein könnten. Da ist zum einen der antikommunistische Widerstandskämpfer Konstantin, ein bulgarischer Anarchist, der zu Beginn der Fünfziger zusammen mit einigen Kampfgefährten ein Stalin-Monument in Sofia in die Luft sprengt und unter die Fuchtel der stalinistischen Staatssicherheit gerät.
Da ist zum anderen der kommunistische Karrierist Metodi, ein jovialer Stasi-Mann, der als wendiger Aufsteiger und einfallsreicher Folterer Karriere im bulgarischen Inlandsgeheimdienst macht. Diese beiden Männer – gealtert und mit unterschiedlichen Empfindungen auf ihre so unterschiedlichen Biographien zurückblickend – lässt Ilija Trojanow in seinem Roman in virtuoser Rollenprosa zu Wort kommen.
Daneben zitiert der Autor aus authentischen Überwachungsprotokollen der bulgarischen Stasi – Dokumente, die in ihrer bürokratischen Übergenauigkeit, grundiert von kühler Bestialität, auf den heutigen Leser ausgesprochen spooky wirken.
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Ilija Trojanow, "Macht und Widerstand", Roman, S. Fischer Verlag