Faktencheck zum Thema Asyl

Der studierte Kommunikationswissenschaftler und Redakteur bei ORF.at, Simon Hadler, hat für die "Hanser Box" einen Faktencheck zum Thema Asyl unternommen: Im E-Book "Die Angst vor dem 'Ansturm'" erzählt er von politischen Fehleinschätzungen, von der Debatte "Helfer vs. Hetzer" und vom dramatischen Alltag in Flüchtlingslagern in Jordanien und Österreich. Ein Gespräch mit dem Autor.

Vor einem Jahr hat der deutsche Carl Hanser Verlag einen Ableger gegründet - die sogenannte "Hanser Box". In diesem Digitalverlag erscheinen kurze, bisher unveröffentlichte Erzählungen von namhaften Autoren wie T.C. Boyle oder Henning Mankell. Und es erscheinen auch Texte und Reportagen, die kurzfristig auf aktuelle Themen und Entwicklungen reagieren.

Kulturjournal, 23.9.2015

"Auf das Wesentliche beschränken und in einer allgemein verständlichen Sprache zu schreiben", versucht Simon Hadler in seinem Faktencheck. Auf den ersten auf ORF.at veröffentlichten Faktencheck habe er viele Reaktionen bekommen, erklärt er im Ö1 Interview, Reaktionen wie "danke für die Information! So hatte ich es bisher nicht gesehen. Nun denke ich darüber anders."

Gespräche mit traumatisierten Menschen

In den Flüchtlingslagern von Traiskirchen und von Zaatari in Jordanien, dem zweitgrößten Flüchtlingslager der Welt, hat Simon Hadler mit schwer traumatisierten Menschen Gespräche geführt. "Die Menschen haben ein starkes Bedürfnis, ihre Geschichte zu erzählen. Erstens um einen neuen Blick auf die eigene Geschichte zu werfen, die im Erzählen neu entsteht; andererseits um auf ihr Schicksal aufmerksam zu machen. Den Menschen dort geht es wirklich schrecklich."

Die Gratwanderung zwischen subjektivem Erleben und Objektivität spielt in Simon Hadlers Reportage eine große Rolle. Wie ist es ihm dabei gegangen? "Ganz auf die Rolle des unbeteiligten Beobachters kann man sich nicht zurückziehen", betont der Autor. "Auch wenn man dort ist, hat man das Publikum, die Leserschaft im Hinterkopf. Das heißt, ganz unbefangen ist man nicht. Das habe ich auch in Zaatari gesehen. So richtig begriffen habe ich das gesehene Leid erst wieder zu Hause, nachdem ich die Interviews wiedergehört und die Fotos gesehen habe."

Eindrucksvoll transportiert Simon Hadler das Berührtsein in seinen Text, wobei die Fotos den Text ganz wunderbar ergänzen. Welche Rolle spielt die Fotografie bei diesen Reportagen? "Mit den Fotos kann man Momente einfangen, die sonst nicht zu sehen sind: Wenn mir ein Flüchtling zeigt, was er sich in zwei, drei Jahren in Zaatari geschaffen hat. Wie er seine Hütte mit den vorhandenen Möglichkeiten hergerichtet hat. Wie er dort mit seiner Familie lebt und ein Leben aufzubauen versucht, auf das er stolz sein kann. Das kann ich in einem Foto mitunter besser einfangen, als in einem Gespräch."

Mädchen in Zataari

Kleines Mädchen in einem jordanischen Flüchtlingslager

SIMON HADLER/ORF.at

Gibt es Grenzen, die ein Reporter nicht überschreiten sollte?

"Das eine ist, wie gehe ich mit den Menschen um, über die ich schreibe und die ich fotografiere - da ist normaler Menschenverstand gefragt und eine gewisse soziale Intelligenz. Eine traumatisierte Familie werde ich nicht in der ersten Minute nach den gesehenen Toten fragen. Auf der anderen Seite ist die Frage nach den Grenzen worüber ich schreibe, eine schwierige. Einige Journalisten oder NGO-Mitarbeiter sagen: ‚Das können wir nicht bringen, das ist Wasser auf die Mühlen von Rechtsnationalisten. Ich glaube, ein Journalist sollte keine Informationen zurückhalten, sondern sie verständlich darstellen und sie kontextualisieren. Die Informationen sind heute, im Zeitalter der Social Media, sowieso da.

Man weiß, wieviel Geld ein unbegleiteter minderjähriger Flüchtling bekommt. Diese Information den Rechtsnationalisten auf Facebook zu überlassen und nichts darüber zu schreiben, das wäre genau der falsche Weg. Man muss erklären, wie kommt es dazu. Man muss die richtigen Vergleiche ziehen und keine demagogischen, wie es im Internet oft passiert. Deshalb glaube ich gibt es relativ wenige Grenzen, worüber man schreiben sollte, aber natürlich gibt eine Grenze des Anstandes, wie man das tut."

Service

Simon Hadler, "Die Angst vor dem 'Ansturm' - Faktencheck Asyl", E-Book, Hanser Box

In der aktuellen Situation möchte der Hanser Verlag diese Momentaufnahme auch kostenlos zugänglich machen. Sie haben daher die Möglichkeit, diese aktuelle Hanser Box mit dem Code refugeeswelcome bis einschließlich 30. September kostenlos herunterzuladen.
Hanser Verlag - Die Angst vor dem "Ansturm"