Auftakt für Herbstlohnrunde

Ein sozialpartnerschaftliches Ritual geht in seine Neuauflage: Heute starten die Kollektivvertragsverhandlungen für die 180.000 Beschäftigten der Metallindustrie. Den Auftakt bildet wie immer die Forderungsübergabe in der Wirtschaftskammer Österreich. Der Lohnabschluss in der wichtigen Metallbranche hat traditionell Signalwirkung für andere Kollektivverträge, etwa den im Handel.

Morgenjournal, 24.9.2015

Die Metaller-Lohnrunde ist ein Ritual, das von seiner Inszenierung lebt. Das beginnt schon beim Veranstaltungsort: Verhandelt wird nicht etwa auf neutralem Boden, sondern in der Wirtschaftskammer Österreich - die Gewerkschafter bestreiten also gleichsam ein Auswärtsspiel bei den Arbeitgebern. Diesem Nachteil begegnen die Gewerkschafter mit numerischer Überlegenheit. Im Gegensatz zu den Arbeitgebern werden die Gewerkschaftsverhandler zur Verstärkung von den dutzenden Betriebsräten begleitet.

Die Forderungsübergabe ist ein Formalakt: Für die Fotografen und Kameraleute schütteln einander Gewerkschafter und Arbeitgebervertreter die Hände, dann werden - schon hinter verschlossenen Türen - die Positionen abgesteckt und erste Sondierungsgespräche geführt.

Abweichungen vom Protokoll sorgen meist für Irritationen - bei einer Verhandlungsrunde haben beispielsweise die Arbeitgeber ohne Ankündigung die Sitzordnung im Verhandlungsraum verändert: Normalerweise sitzen einander die Tarifpartner gegenüber, im Jahr zweitausendzehn haben sich die Arbeitgeber-Verhandler aber auf einem Podium postiert, ebenerdig sitzend die Gewerkschafter. Die Verhandlungen wären damals beinahe direkt nach der Forderungsübergabe gescheitert, weil sich die Gewerkschaft von der neuen Sitzordnung provoziert fühlte.

Zur Inszenierung haben in den vergangenen Jahren öfter auch Streikdrohungen gehört, wobei dann selten so heiß gegessen wurde wie gekocht. Zweitausendelf gab es Warnstreiks, zweitausenddreizehn wurde ein drohender unbefristeter Streik quasi in letzter Sekunde abgesagt.

Wie schon im Vorjahr fordert die Gewerkschaft auch heuer wieder eine spürbare Lohnerhöhung, die Industrie verweist - in ähnlicher Wortwahl wie im vergangenen Jahr - auf schwache Konjunktur und schlechte Auftragslage. Die Fronten sind also wieder einmal verhärtet - aber auch die Suche nach einem Kompromiss ist fixer Bestandteil des Rituals Metaller-Lohnrunde.