Kurzessay zu Matthäus 6, 25 – 34

Wie in konzentrischen Kreisen gestaltet Matthäus die erste große Rede Jesu in seinem Evangelium, die Bergpredigt. Sie setzt ein mit den Seligpreisungen und endet mit der Verheißung: Wer diese Worte hört und tut, hat das Haus seines Lebens nicht auf Sand, sondern auf festen Grund gebaut.

Mitten drinnen, im Zentrum des Ganzen, steht das Vaterunser; und in dessen Mitte wieder ist es die vierte von den sieben Bitten, die lautet: Unser tägliches Brot gib uns heute. Um diese Mitte kreist das Ganze, wie die Planeten um die Sonne. Das tägliche Brot, um das Gott gebeten wird, weil er darum gebeten werden muss, denn es ist nicht selbstverständlich, morgen satt zu werden. Und trotzdem heißt es: Sorgt euch nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Wie soll denn das zusammenpassen?

Die Versuche, den Abschnitt durch Auslegung zu domestizieren und irgendwie erträglich zu machen, sind zahlreich. Jesus meine nur die Sorge aus Angst, die Sorge aus Liebe um andere hingegen sei nicht nur erlaubt, sondern sogar geboten. Oder: Vorsorge für die eigene Person ist fragwürdig, Fürsorge für andere aber nicht. Er wendet sich nur an ganz wenige unter den Christen, die als Einsiedler leben oder als Aussteiger auf der Suche nach dem alternativen Lebensstil. Oder ganz direkt: Er ist blauäugig, ökonomisch naiv wie übrigens in den Augen mancher Kritiker ja das ganze Christentum bis heute, einschließlich Papst Franziskus. Oder: Er missachte die menschliche Arbeit und leite an zur Faulheit und so weiter und so fort. Unterm Strich kommt immer heraus: Geht uns nichts an. Betrifft uns nicht, hat nichts mit uns zu tun.

Aber worum geht es? Es geht um die Grundsicherung der Existenz. Um Essen und Trinken, um Kleidung und Wohnen. Und es geht um Menschen, die sich damals all dessen nicht sicher sein konnten. Im Gegenteil. Das sind die Zuhörer und Zuhörerinnen der Bergpredigt. Also Menschen, die allen Grund hatten zu beten: Unser tägliches Brot gib uns heute. Unsicherheit macht abhängig und unfrei. Das ist das Schicksal der Armen, dass sie nicht nur materielle Not leiden, sondern auch sozial ausgeschlossen sind und das eigene Leben nicht in die eigenen Hände nehmen können. Ihnen sagt Jesus: Trachtet nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit, dann wird euch alles, was ihr zum Leben braucht, zufallen. Weil es sonst niemand macht, sollen sie nicht kleingläubig sein und die Sache der Gerechtigkeit selbst in die Hand nehmen.

Was heißt das? Meiner Meinung nach zuerst einmal die wahren Ursachen ökonomischer Krisen erkennen, die Ursachen von Arbeitslosigkeit, Sprachlosigkeit, Angst vor dem Fremden und vielem mehr, was heute die Sorgen der Menschen ausmacht. Stattdessen breitet sich nach dem Motto: Wir und die Anderen! weiter aus, dass es Andere gibt, die – obwohl sie selbst noch schlechter dran sind – die Ursache der eigenen Sorgen sind. Flüchtlinge, Asylsuchende und Migranten. Mitten hinein die Botschaft Jesu: Statt auf harte Herzen seht doch die Vögel unter dem Himmel, statt auf Stacheldrahtzäune auf die Lilien auf dem Feld!