"Momo" im Theater der Jugend in Wien

Sie zählt seit über 40 Jahren zu den beliebtesten Kinderbuchfiguren - die 1973 von Michael Ende geschaffene Hauptfigur seines Romans "Momo". Jetzt hat Michael Schachermaier den Roman fürs Theater der Jugend adaptiert. Morgen ist im Renaissancetheater Premiere.

Szenenbild "Momo" im Theater der Jugend

Theater der Jugend, Rita Newman

Kulturjournal, 12.10.2015

"Aktuell wie nie"

Das Buch über das seltsame Kind, das so gut zuhören kann und gegen die Zeit-Diebe kämpft, wurde in 46 Sprachen übersetzt, weltweit über zehn Millionen Mal verkauft, mehrmals verfilmt, als Oper und Musical vertont und war auch schon öfter am Theater zu sehen. Jetzt hat Michael Schachermaier, der eine Zeit lang am Burgtheater als Regieassistent gearbeitet hat, den Roman fürs Theater der Jugend adaptiert.

Irgendwo hockt diese Momo mit der viel zu großen Jacke und der Schildkröte bei fast jedem im Hinterkopf - da sind Bilder von einem kleinen barfüßigen Mädchen mit dunklem Lockenkopf oder unheimlichen grauen Herren mit Zylindern und Zigarren, da ist eine vage Erinnerung an einen zu Weihnachten gesehenen Film und oder das signifikant gelbe Buch mit den vielen Uhrtürmen drauf. Es wird Zeit, Momo wieder hervorzuholen - denn sie ist heutig wie nie, meint der Regisseur Michael Schachermaier. "Ich trau mich fast zu sagen, dass das die aktuellste Eröffnungspremiere in Wien ist - das ist Mitte der 70er Jahre entstanden und heute aktuell wie nie."

Service

Geeignet ist das Stück "Momo" für Kinder ab sechs Jahren.
Theater der Jugend

Das Leben wohnt im Herz

"Zeit ist Leben - und das das Leben wohnt im Herzen", lautet eines der vielen Zitate in Momo. Zeitdruck, Burnout, Stress, Leistungsdruck, Depression - damit sind heute schon Kinder konfrontiert. Mit einer erschreckenden Hellsichtigkeit hat Michael Ende auf die Auswüchse und Folgen einer Gesellschaft hingewiesen, deren oberste Maxime Rationalität, Nützlichkeit und Wachstum heißen. "Was Ende vor einiger Zeit visionierte - eine Gesellschaft der Beschleunigung, der Vereinsamung, eine Gesellschaft, die sich nicht mehr zuhört, Individuen, die auseinandertriften, das kennt jeder", so Schachermaier.

Aufnahme bewirkt positive Veränderung

Momo verbindet Generationen - man kann den Roman als poetisch-philosophisches Märchen um das Rätsel der Zeit lesen, ihn aber auch als metaphorische Erzählung über das herrschende Finanzsystem und die heutige Wachstumsgesellschaft verstehen. Oder einfach als die Geschichte einer Fremden, die eine festgefahrene Gemeinschaft durcheinanderbringt und bereichert. "Wir alle kennend die Bilder aus dem Fernsehen, wo Menschen auf der Wanderschaft ein Zuhause suchen, ein aktueller Stoff. Hier kommt ein Mensch in eine Gesellschaft, und der wird aufgenommen und herzlich aufgenommen und das bewirkt Veränderung in positivem Sinn - eine Geschichte von Empathie und Solidarität in einer heutigen Gesellschaft."

Meisterin der Ineffizienz

Den unheimlichen grauen Herren von der Zeitsparkasse ist Momo ein Dorn im Auge - sie verschenkt und vergeudet ihre Zeit, sie hört zu, sie ruht in sich selbst, sie hat nichts zu tun, außer da zu sein, und ist unheimlich ineffizient. Aber die Menschen sollen ihre Zeit sparen, für später, auch wenn sie darüber vergessen im Jetzt zu leben.

"Es gibt mehrere Universen, das Momo-Universum, das Universum der Stadt und dann gibt‘s Meister Hora mit seiner Schildkröte Kassiopeia. Er steht für einen ganz anderen Kosmos - für einen Wächter der Zeit. Wir haben ihn als einen philanthropischen, leicht selbstverliebten, eitlen, aber sehr warmherzigen Menschen, der als Verwalter der Zeit, auch für die positiven Eigenschaften dieses Kosmos stehen kann", erklärt der Regisseur.

Wie Momo mit Meister Horas Hilfe gegen die grauen Herren kämpft, davon erzählt der Theaterabend, der für Regisseur Schachermaier äußerst herausfordernd war: "Der Stoff ist unheimlich schwer auf die Bühne zu bringen; die Figur der Momo ist extrem schwer zu spielen, es verlangt große Phantasie, große Poesie, aber auch klare Statements - was will man heute mit dem Stoff? -, und da ist uns wirklich was geglückt." Überprüfbar ist das bei der morgigen Premiere von Momo im Wiener Renaissancetheater.