Literatur im Nebel

Am Wochenende fand in Heidenreichstein im Oberen Waldviertel die zehnte Ausgabe des Festivals Literatur im Nebel statt. Heuer stellte sich der ostdeutsche Schriftsteller, Dramatiker und Essayist Christoph Hein dem zahlreich angereisten Publikum vor. Eine Reportage.

Landschaft Waldviertel

APA/Helmut Fohringer

Kulturjournal, 19.10.2015

Das Festival Literatur im Nebel wurde 2006 von Robert Schindel und Rudolf Scholten ins Leben gerufen, seither steht Jahr für Jahr das Werk eines namhaften Schriftstellers bzw. einer Schriftstellerin im Zentrum der zweitägigen Veranstaltungen. Salman Rushdie, Amos Oz und Margaret Atwood waren bereits zu Gast, heuer stellte sich der ostdeutsche Schriftsteller, Dramatiker und Essayist Christoph Hein dem zahlreich angereisten Publikum vor. Bekannt wurde der kritische und politische Autor mit Romanen wie "Landnahme", "In seiner frühen Kindheit ein Garten" oder "Willenbrock", der vom Regisseur Andreas Dresen auch verfilmt wurde. Große Aufmerksamkeit erregte 1989 die Uraufführung seines Dramas "Die Ritter der Tafelrunde", ein Abgesang auf die DDR-Politik.

Literatur im Nebel - am Freitagnachmittag ist der Name Programm: Draußen taucht die hügelige, verregnete Landschaft in dichte Nebelschwaden, drinnen hat das Publikum Gelegenheit, zwei Abende lang in das literarische Werk Christoph Heins einzutauchen. Hochkarätige Schauspieler wie Elisabeth Orth, Erni Mangold und Florian Teichtmeister leihen dem Werk ihre Stimmen, aber auch Schriftstellerkollegen wie Felix Mitterer und Radek Knapp und der Sohn des Autors, Jakob Hein, selbst Schriftsteller und Psychiater.

Humorvoller, genauer Beobachter

In seinen Texten erweist sich Hein als humorvoller, genauer Beobachter seiner nächsten Umgebung. Hinter dem ironischen Ton kommt stets der unbeugsame Kritiker des Systems zum Vorschein. 1944 in Schlesien geboren, wuchs Hein in der DDR auf, wo ihm, als Sohn eines Pfarrers, der Zugang zum Abitur verwehrt war. Also besuchte er das Gymnasium in Westberlin, bis er 1961 durch den Bau der Berliner Mauer auch daran gehindert wurde. Hein war Kellner, Buchhändler und Montagearbeiter, bis er Abendschule und Studium nachholte und schließlich eine Schriftstellerlaufbahn einschlug.

Als "Chronist ohne Botschaft" bezeichnet sich der 71-Jährige mit dem verschmitzten Lächeln gerne, als einer, der lieber findet als erfindet. Seine Romane und Novellen schildern mit subtilen Zwischentönen das Innenleben einzelner Figuren, die in ihrer scheinbaren Alltäglichkeit zum Schlüssel des ganzen Systems werden. Bis heute zählt Hein zu den wichtigsten politischen Stimmen Deutschlands. Er spricht die Angst vor Armut und vor dem Fremden ebenso an wie das Unvermögen der Politik, auf die aktuelle Flüchtlingskrise zu reagieren.

Ort intensiver Auseinandersetzung

In der Pause gibt's musikalische und kulinarische Schmankerl aus der Region. Die Besucher stehen Schlange, um sich das Neuerstandene gleich vom Gast signieren zu lassen. Rudolf Scholten und Robert Schindel gründeten 2006 das Festival als Ort der intensiven Auseinandersetzung mit jeweils einer bekannten Autorenpersönlichkeit. Das Konzept schien aufzugehen, die Heidenreichsteiner Margithalle mit über 500 Sitzplätzen ist auch diesmal an beiden Tagen ausverkauft.

Am zweiten Abend steht das Theater im Zentrum. Er habe sich immer vorrangig als Dramatiker verstanden, der nebenbei auch Prosawerke schreibt, erzählt Hein im Gespräch mit Bettina Hering, die für die Dramaturgie des Festivals verantwortlich zeichnet. Hein spricht über seine Zeit als Hausautor an der Berliner Volksbühne, seine Vorliebe für Komödien und über die eindrucksvolle Uraufführung seines Dramas "Die Ritter der Tafelrunde" im April 1989 in Dresden.

Abschließend gibt Hein Einblick in seine späten Texte. "Vor der Zeit. Korrekturen" heißt die bislang letzte Veröffentlichung. Der Autor selbst liest gemeinsam mit den Schauspielerinnen Ursula Strauß und Erni Mangold. Am Ende dieser zwei langen und intensiven Abende dankt es ihm das Publikum mit begeistertem Applaus und Standing Ovation.