Neu aufgelegter Roman von Gernot Wolfgruber

Herrenjahre

Schauplatz dieses späten Abkömmlings des deutschen Entwicklungsromans aus dem Geist der der österreichischen Sozialdemokratie ist das obere Waldviertel, Niederösterreich in den 1960er und 70er Jahren. Bruno Melzer wird Tischler. Nicht beim Preiml, dem Kriegskameraden des Vaters, der diesem schon während der Gefangenschaft versprochen hatte, später "einen Buben zu nehmen", sondern beim Stollhuber.

Buchcoverausschnitt

RESIDENZ VERLAG

Service

Gernot Wolfgruber, "Herrenjahre", Roman, Residenz Verlag

Gernot Wolfgrubers romaneske Prüfungsanordnung ist klar definiert: Eine Arbeiter- respektive Haklerbiografie gegen alle Widerstände der Welt, die sich bald als das Normale herausstellen. Inklusive der üblichen "besseren Gesellschaft" vom Meister über den Wirtshausbesitzer bis zu Ärzten und diversen Beamten.

Das Spektakuläre an Wolfgrubers Roman ist nicht der Plot und diese Figurenkonstellation, die in Zeiten der Sozialdemokratie so erstmals zur Sprache kommen und zum Erfolg werden konnte, es ist vor allem die Art seiner Schilderung. Wolfgruber bewegt sich fast streng linear voran, von Thema zu Thema: Ohne verzwickte Rückblenden und mühselige Erklärungen wird da die SS-Vergangenheit des Vaters eingestreut; die Melzers wohnen in einer ehemalgien SA-Siedlung - das geht nahtlos in die Gegenwart von Wirtshaus und Arbeitsplatz samt so genannter Arbeitsmoral über.

Der Autor versteht es meisterhaft, Wendungen und Ausdrücke des dialektalen Alltags zur Grundstruktur seines Erzählens zu machen: "Wenns denn Scherm aufhast", "Bude", "a faste Katz" oder "Goder". Wolfgruber hat mit "Herrenjahre" nicht nur ein "Grundbuch" der Zweiten Republik geschrieben, es ist bis heute ziemlich spannend zu lesen. Dass es aus 1976 stammt, merkt man ihm in keinem Moment an.