Cassandra Wilson im Konzerthaus
Die US-amerikanische Sängerin Cassandra Wilson ist nicht nur eine der derzeit populärsten und erfolgreichsten, sondern auch eine der unverwechselbaren Stimmen des Jazz. Mit "Coming Forth by Day" hat die knapp 60-jährige Wilson im Frühjahr ein Album präsentiert, das einer der ganz Großen der Jazzgeschichte gewidmet ist: Billy Holiday, die heuer 100 Jahre alt geworden wäre.
8. April 2017, 21:58
Wilson hat darauf Klassiker wie "Strange Fruit" oder "All of Me“ neu interpretiert. Heute Abend gastiert die Sängerin mit Band und ihrer Billy-Holiday-Hommage im Wiener Konzerthaus.
Morgenjournal, 2.11.2015
Oft versucht, selten gelungen: Es gibt wohl kaum ein Lied-Repertoire an dem sich schon so viele Jazz-Sängerinnen probiert haben, wie jenes von Billy Holiday. Und es war ein Wagnis, das Cassandra Wilson mit dieser Hommage eingegangen ist - mit einem Ergebnis, das überrascht. Es ist eine Annäherung voller Kontraste: Mit einer Leichtigkeit schleppt sich Wilson durch die Klassiker, verzögert die Phrasierungen ohne die melancholischen Billy Holiday Nummern dadurch noch melancholischer zu färben.
"Jazz ist eine Art zu leben"
"Jazz ist mehr als nur ein Genre, Jazz ist eine Art zu leben", sagt die Sängerin. "Unsere Absicht war es, den Geist von Billy Holiday zu feiern. Das bedeutet nicht, sie zu kopieren, sondern einfach du selbst zu sein." Sie selbst sein, das bedeutet im Fall von Cassandra Wilson mit wenigen Tönen Atmosphären zu erzeugen und Geschichten zu erzählen. "Ich glaube Billy Holiday war die erste die diesen Gesangsstil etabliert hat, der an eine Konversation erinnert - das funktioniert aber nur über ein gutes Zusammenspiel mit der Band. Sänger sind oft abgehoben, aber Billy Holiday ist mit ihren Musikern abgehangen, und alle haben sie gemocht."
Eine enge Beziehung zu den Musikern hat auch Wilsons eigene Karriere geprägt. Anfang der 1980er Jahre schloss sie sich dem experimentellen M-Base-Kollektiv rund um Steve Coleman an. Kein einfaches Terrain für ein junge Sängerin; auch bei ihrer Billy-Holiday-Hommage hat sich Wilson markante Musikerpersönlichkeiten zur Seite gestellt: Thomas Wydler oder Martyn Casey, Langzeitmitglieder von Nick Caves The Bad Seeds, die hier den Songs mit ihren düsteren Texturen immer wieder etwas wunderbar Rätselhaftes geben.
Wohliger Jazz & eine Brise Rock
Auf Tour sind die beiden zwar nicht dabei, aber mit dem Album ist die musikalische Marschrichtung wohl vorgegeben: Billy Holiday eingebettet zwischen wohligem Jazz und einer Brise Rock. "Ich glaube, sie war so etwas wie der erste Rockstar! Sie hat nicht darüber nachgedacht, was andere über sie denken. Und sie hat Kontroversen nicht gescheut: Wer 1939 einen Song wie „Strange Fruit“ gesungen hat, war ein Rebell mit einem Anliegen."
Mit einem Caféhausauftritt in New York machte Holiday das Protestlied, das sich gegen Lynchmorde an Schwarzen in den Südstaaten richtete, bekannt. Es war ein künstlerischer Vorbote der Bürgerrechtsbewegung, der wohl auch beim Wien Konzert nicht fehlen wird, zu dem Cassandra Wilson von einer sechsköpfigen Band begleitet wird.
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Wiener Konzerthaus - Coming Forth by Day