Jonathan Meese nimmt's sportlich
Seine Malerei ist expressiv und wirkt teilweise wie der spontane Kreativausbruch eines Kleinkinds. Doch Jonathan Meeses grelle Farbexplosionen sind nicht so harmlos wie sie auf den ersten Blick wirken und verweisen oft auf deutsche Mythen und Symbole. In einer Serie, die aktuell in der Galerie Krinzinger in Wien zu sehen ist, entdeckt Jonathan Meese nun ein neues Thema: den Sport.
8. April 2017, 21:58

ORF/CHRISTINE SCHEUCHER
Kulturjournal, 13.11.2015
"Er nehme es eben sportlich", antwortet Jonathan Meese, auf die Frage, wie er denn dazu gekommen sei, sich in seinen neuesten Werken mit dem Thema Sport auseinanderzusetzen. Denn ja, das vergangene Jahr war für das Enfant terrible des deutschen Kunstbetriebs hart. 2016 hätte Jonathan Meese in Bayreuth den "Parsifal" inszenieren sollen. Für Meese ein großer Lebenstraum, der vor gut einem Jahr platzte, als Katharina Wagner sein Engagement kündigte. Offiziell hieß es, dass Meese mit seinen Ideen, das Budget gesprengt habe. Ein Argument, das den Künstler bis heute in Rage versetzt. "‘Parsifal‘ geht weiter", sagt Meese "Ich mache ‚Parsifal‘-Gedichte und ich male auch weiter ‚Parsifal‘-Bilder. Ich beschäftige mich aber auch mit den anderen Opern von Richard Wagner. Man muss die Oper als Handlanger von politischen Systemen beenden. Die Oper muss sich wieder einmal radikalisieren! Bayreuth ist ja tot. Das Programm bis 2020 ist ja ein Todesurteil für den Laden."
"Parsifal geht weiter!"
Wenn Jonathan Meese einmal anfängt, ist er eigentlich kaum zu stoppen. Er verfügt über ein manisches Redetalent. Das nutzt er, um sich als durchgeknallter Hofnarr des Kunstbetriebs zu inszenieren, als Gegenbild zu jenen glatt polierten Künstlerfiguren, die wie die Manager ihrer selbst auftreten: clean, nüchtern, geschäftstüchtig. Jonathan Meese hingegen treibt jedes Künstlerklischee auf die Spitze, man darf exzessive Ausbrüche in verschiedenen Tonlagen erwarten. Die öffentlichen Äußerungen des Künstlers und dazu zählen selbstverständlich auch Interviewtermine sind immer Teil der Arbeit, Teil des Gesamtkunstwerks Jonathan Meese.
Wider den Optimierungszwang
Nachdem Jonathan Meese, der wie er selbst zugibt, nicht einmal Noten lesen kann, in den letzten Jahren in das Werk Richard Wagners eingetaucht ist, widmet er sich nun dem Sport. In einer Gesellschaft, in der das Modellieren des Körpers längst zum sozial auferlegten Optimierungszwang geworden ist, ein durchaus relevantes Thema. Meese zäumt den Gaul aber von hinten auf. Sein Interesse gilt weniger dem designten Körper des 21 Jahrhunderts, sondern vielmehr dem stählernen Soldatenkörper. Und auch Leni Riefenstahl und ihre Ästhetisierung des athletischen Körpers in ihrem Olympiafilm bleibt eine Referenz.
Erwartungsgemäß wird man in Jonathan Meeses Sport-Serie die antiken Kategorien Symmetrie, Ebenmaß und Proportionalität vergeblich suchen. Die Gemälde der Serie bestehen aus Farbklecksen und Krakeleien. Kryptische Slogans treffen auf nationale Symbole wie das von Jonathan Meese immer wieder verwendete Eiserne Kreuz. In der Galerie Krinzinger sind zudem Skulpturen aus Aluminium zu sehen: Sie wirken ein bisschen wie skurrile Gebilde, die beim Bleigießen entstanden sind, beziehen sich allerdings auf klassische sportliche Disziplinen wie Hürdenlauf oder das Diskuswerfen. Um Sport als kulturellen Dressurakt geht es Meese aber ohnedies nicht, um Wettbewerb schon gar nicht, eher schon um das zweckfreie Spiel. Die Spiele sind also eröffnet!
Die Ausstellung "Dr. No Sportarzahn (Evolutionsschritt de Fit)" zeigt neue Arbeiten des deutschen Künstlers Jonathan Meese. Zu sehen ist die Schau noch bis 8. Jänner.
Service
Galerie Krinzinger - Dr. No Sportarzahn (Evolutionsschritt de Fit)