"Mia Madre" - ein Film von Nanni Moretti
Wer es allen recht machen will, bleibt am Ende bei vielen auf der Strecke. Ein weithin bekanntes Phänomen macht einer Filmregisseurin in Nanni Morettis neuem Film "Mia Madre" zu schaffen. Überhaupt scheint ihr das Leben zu entgleiten, vor allem weil die Mutter im Sterben liegt. Ein Drama, dem Moretti in gewohnter Weise auch so manche Heiterkeit abgewinnen kann.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 18.11.2015
"Ein Film über das Sterben, der zugleich das Leben feiert"
Im Angesicht des Todes relativiert sich das Leben. Darüber scheint in Nanni Morettis neuem Film Einigkeit zu bestehen, keinesfalls aber über das Wie, wenn es nach den Geschwistern Margherita und Giovanni geht. Sie eine Regisseurin und überfordert von ihrem neuen Filmprojekt, er ein besonnener Ingenieur. Ans Krankenbett der Mutter bringt Giovanni das selbst liebevoll zubereitete Menü während seine Schwester die überbackenen Melanzani aus dem Imbissgeschäft taktvoll zu verstecken versucht.
Grotesker Perfektionismus
Immer wieder verarbeitet Nanni Moretti persönliche Erlebnisse - hier der Tod seiner eigenen Mutter - zu einem künstlerischen Ereignis. Diesen Giovanni spielt Moretti selbst, doch eigentlich sei er selbst mehr wie die nervöse Margherita, und Giovanni im Grunde jene Person, die er gerne sein würde, so Nanni Moretti. Das Sterben der Mutter wird für die Geschwister zur Projektionsfläche ihres eigenen Daseins: Margeritas Perfektionismus bekommt angesichts der - trotz körperlichem Siechtum - Lebenslust der Mutter im Krankenbett etwas Groteskes. Zu viel wollen heißt sehr viel verlieren.
Menschliche Vergänglichkeit
Nanni Moretti verleugnet die menschliche Vergänglichkeit nicht, doch in vorauseilendem Gehorsam muss man sich ihr auch wieder nicht unterwerfen. Dieses Credo trägt er mit viel Feingefühl vor, wenn auf einen Besuch bei der kranken Mutter eine Szene folgt, in der Margeritas Halbwüchsige Tochter Moped fahren lernt oder exakt jenen Moment, in dem Giovanni akzeptiert, dass das Sterben der Mutter unaufhaltsam ist.
Sehnsucht und Melancholie
Doch keine Tragik ohne Komik. Das Filmgeschäft wird zum Gag-Lieferanten: die Eitelkeit von Schauspielern, ein Gangster-Film, der heutzutage quasi "Seele" haben muss, Regisseurin Margerita, die nur ja keinen traurigen Film machen will, auch wenn es um den Kampf der Arbeiterklasse geht. "Mia Madre" ist ein Film über das Verhältnis von Realität und Fiktion, von Träumen und Erinnerungen, von Sehnsucht und Melancholie, und es ist ein Film über das Sterben, der zugleich das Leben feiert und damit keineswegs nur ein trauriger Film.