Vermeer - Das vollständige Werk
Vermeer ist einer der größten Namen der europäischen Malerei überhaupt. Ein großer Bildband aus dem Taschen-Verlag dokumentiert sein Werk: "Vermeer - Das vollständige Werk". Der Autor Karl Schütz war Direktor der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums in Wien.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 24.11.2015
Flüssig lesbare Texte, große Abbildungen
Eine Frau in Hellblau mit Lorbeerkranz steht einem Maler vor der Staffelei Modell. Das schwarz-weiße Schachbrettmuster des Marmorbodens ist ein markantes Merkmal dieses so überaus berühmten Bildes: "Die Malkunst" von Vermeer. Was darin so alles steckt an visionärem Rollenverständnis von Kunst, aber auch an politischen Statements, davon kann man sich in dem neuen Vermeer-Buch eine Vorstellung machen: anhand der flüssig lesbaren Texte des Autors Karl Schütz und anhand von Abbildungen, die manchmal in die Nähe der Originalgröße kommen.
Malweise unter der Lupe
Vermeers Werke sind oft kleinformatig, und das Buch ist genauso x-large wie vorige Prachtbände aus dem Taschen-Verlag, zu Klimt oder Caravaggio. Immer wieder werden auch Details der Vermeer-Bilder weit überlebensgroß herausgezoomt. So kann man sich seine für damals ungewöhnliche Malweise wie unter der Lupe ansehen, erklärt Karl Schütz: "Am Beginn seiner Karriere steht der punktförmige Malauftrag von Farbpunkten, die sich dann zu einem Bild zusammenschließen."
Und der deutsche Vermeer-Kenner Nils Büttner bei der Buchpräsentation: "Vermeer muss über das Malen und das Aufbringen von Farbe unglaublich viel nachgedacht haben. Wenn Sie diese Abbildungen genau angucken, dann können Sie sehen, dass die Malerei Vermeers dort besonders pastos und dick aufgetragen ist, wo die Bilder besonders hell sind. Das bedeutet, dass sich selbstverständlich die Oberfläche des Gemäldes an den Stellen, wo die Farbe dick aufgetragen ist, vergrößert. Sprich: Die besonders hellen Partien sind größer als die besonders flach und dunkel gemalten, und reflektieren natürlich mehr Licht."
Stimmungen und Verhaltensweisen
Wird durch die extremen Detailvergrößerungen die Aura der Gemälde zerstört, wie eine Rezension in der "Frankfurter Allgemeinen" befindet? Eher nein. Das geht bei einem Vermeer nicht so leicht. Fast alle Bilder des 1632 geborenen Künstlers sind intime Szenen in kleinen Räumen. Frauen an Musikinstrumenten oder eine Magd in der Küche zum Beispiel. Stimmungen und Verhaltensweisen der Figuren sind wunderbar beobachtet, es herrscht eine große Ruhe in den Bildern.
Sehr im Gegensatz zu den unsicheren Zeiten, die Vermeer in seiner Heimatstadt Delft durchlebte. "Es gab circa 100 Brauereien, und acht Pulverlager. Und diese relativ brisante Mischung führte dann auch 1654 zu einer Explosion, die große Teile der Stadt in Schutt und Asche legte", erzählt Stefan Weppelmann, Nachfolger von Karl Schütz als Leiter der Gemäldegalerie.
Von Etienne Thoré wiederentdeckt
Johannes Vermeer, wie er korrekt heißt, war zu Lebzeiten ein regional bekannter und geschätzter Maler. Produzierte langsam und wenig, und lebte teils vom Kunsthandel. Nach seinem Tod vergaß man ihn außerhalb Hollands; erst der Kunstschriftsteller Etienne Thoré entdeckte ihn im späten 19. Jahrhundert wieder und begründete einen Vermeer-Mythos. "Etienne Thoré stilisierte ihn als Sphinx von Delft zum großen Unbekannten, der aus dem Nichts auftauchte, und von dem außer wenigen Bildern keinerlei Spuren hinterlassen sind." So stimmt das schon längst nicht mehr. Man weiß inzwischen sehr viel mehr über Vermeers unruhige Lebensumstände. Nachzulesen in "Vermeer - Das vollständige Werk".
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Karl Schütz, "Vermeer - Das vollständige Werk", Taschen Verlag
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