Tragikomödie "Ich und Earl und das Mädchen"
Ein Jugendlicher in Pittsburgh, der sich in einer skurrilen Fantasiewelt eingerichtet hat, steht im Mittelpunkt des Films "Me and Earl and the Dying Girl". Als eine Klassenkameradin an Krebs erkrankt, muss der junge Mann aus seinem Schneckenhaus heraus. Wie er das bewältigt, zeigt Regisseur Alfonso Gomez-Rejon als unkonventionelle Tragikomödie.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 2.12.2015
"Eyes Wide Butt" und "Pooping Tom"
An seiner Unsichtbarkeit im Alltag arbeitet Greg (Thomas Mann) schon seit Jahren. Die Kantine in der High-School empfindet er als sozialen Kriegsschauplatz, von den Mitschülern hält er sich fern, mit Ausnahme von Earl (RJ Cyler), mit dem er sich am liebsten im Zimmer des coolen Geschichtsprofessors trifft, um sich gemeinsam frühe Werner-Herzog-Filme anzusehen und auch selbst welche zu machen. Die heißen dann "Eyes Wide Butt", "Rosemary Baby Carrots", "Pooping Tom", "Raging Bullshit" und "Sockwork Orange" - kunstvolle Miniaturen als ironische Eigeninterpretationen von Filmgeschichte. Kurz: Greg und Earl und das Filmemachen, wieder einmal rollen zwei unverstandene Teenager ihre Nöte mit dieser Welt in einem hochkreativen, kuriosen Paralleluniversum auf.
Unbeholfene Ehrlichkeit
Das Krebsdrama der gleichaltrigen Rachel (Olivia Cooke) durchkreuzt die geistreichen Spielwiesen der Teenager, doch kein Grund für Regisseur Gomez-Rejon in konventionelle Erzählmuster zu verfallen, in denen Krankheit und Tod zum ärgerlichen Tauschgeschäft für hohles Emotionskino werden. Auch im Angesicht des Todes vertraut Greg auf unbeholfene Ehrlichkeit: Rachel zu besuchen sei gar nicht sein Wunsch, sondern der seiner Mutter, gibt er gegenüber der Kranken offen zu. Er wollte auch definitiv kein Melodram machen, erklärt Regisseur Gomez-Rejon, sondern vielmehr Gregs Entwicklung in den Mittelpunkt stellen.
Liebenswürdige Schrulligkeit
Tatsächlich ist "Ich und Earl und das Mädchen" eine clever humorige Coming-of-Age-Story, die ihre Romantik versteckt, ohne sie zu verleugnen; die Trauer zulässt, ohne sie zu auszubeuten. Ohne Bedauern wird Greg am Ende seine Existenz in überbordender Fiktion relativieren, seine Gefühlswelt von all der liebenswürdigen Schrulligkeit freischaufeln, die er so gerne als Schutzwall auftürmt. Und wer sagt schon, dass man in der sogenannten Wirklichkeit nicht auch ein Kindskopf bleiben kann.