Libanon: Flüchtlinge in lebensbedrohlicher Not
1,1 Millionen Flüchtlinge aus Syrien sind im Libanon registriert. Sie sind am Ende ihrer Möglichkeiten: nichts zu essen, kein Geld, um die Mieten für Zeltplätze, Baracken oder Garagen zu zahlen. Ihre Kinder gehen nicht zur Schule, sondern werden als Billig-Arbeitskräfte ausgebeutet. Die Flüchtlingsorganisation der Vereinten Nationen UNHCR warnt vor der lebensbedrohenden Not der Flüchtlinge und fordert die internationale Staatengemeinschaft auf, aktiv zu werden: durch größere Aufnahmebereitschaft und Resettlement-Programme.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 21.12.2015
Abhängig von Essenskarten
Bar Elias in der Bekaa-Ebene, wenige Kilometer von der syrischen Grenze entfernt: 20 Männer und Frauen haben sich in einem Gemeinschaftsraum versammelt. Sie sind gekommen, um von ihren prekären Lebensbedingungen zu erzählen. "Wir sind von den elektronischen Essenskarten des UN-Welternährungsprogramms vollkommen abhängig", sagt eine junge Frau. "Die Beträge, die auf der Karte gespeichert sind, ändern sich oft. Zuerst waren es umgerechnet 18 Euro, im Sommer nur 11, jetzt sind es wieder 20 Euro im Monat." Im Sommer habe die ehemalige Englisch-Lehrerin das Essen extrem reduziert, manchmal für ihre Familie nur einmal in der Woche kochen können. Es gäbe auch die ständige Sorge, im nächsten Monat aus dem Programm ausgeschlossen zu werden.
Letztes Jahr sind Kinder erfroren
Den anderen geht es ähnlich. Sie erzählen von Wucherpreisen der Vermieter und von der Angst vor Kälte im Winter. Letztes Jahr sind hier Kinder erfroren. Fragt man die Menschen, ob sie von hier weg wollen, dann schütteln die meisten den Kopf. Sie möchten ausharren und bei der ersten Gelegenheit nach Syrien zurückkehren. Nur zwei Frauen sehen das anders, eine davon ist die Englisch-Lehrerin: "Ich würde gerne nach Hause zurückkehren, aber wenn die Situation so bleibt wie sie ist, möchte ich mit meiner Familie nach Europa. Aber nicht auf illegalem Weg. Mehrmals habe ich beim UNHCR um Aufnahme in ein Resettlement-Programm gebeten, aber noch keine Antwort bekommen."
Nur mehr extrem Schutzbedürftige unterstützt
Beirut. Die Landesdirektorinnen des UN-Welternährungsprogramms und des UNHCR empfangen im Büro und lassen sich von der Feueralarm-Übung nicht stören. Es gibt Wichtigeres. Gawaher Atif vom Welternährungsprogramm: "Genügend Spenden zu bekommen, das ist unsere größte Herausforderung hier. Alles andere ist bewältigbar. Wir haben heuer die "nur" schutzbdedürftigen Menschen nicht mehr unterstützen können, sondern nur mehr die extrem schutzbedürftigen."
Humanitäre Situation am Tiefpunkt
Rund 900.000 Personen konnten zu Jahresbeginn mit elektronischen Essenskarten unterstützt werden, jetzt sind es 600.000. Da die humanitäre Situation im Libanon an ihrem Tiefpunkt angelangt ist, brauchen sowohl das Land selbst, aber auch die Flüchtlinge schnelle Hilfe, sagt Mireille Girard vom UNHC: "Es ist notwendig, dass mindestens 10 Prozent aller Flüchtlinge, die in den Nachbarländern Syriens leben, rasch über unsere humanitären Resettlement-Programme von anderen Ländern aufgenommen werden. Das wären 400.000 Menschen. Das würde die Lage entspannen. Von dieser Anzahl ist man aber noch weit entfernt."
Österreich hat 1.300 Syrer aufgenommen
Bis jetzt wurden seit 2013 insgesamt 43.000 schutzbedürftige Menschen aus Jordanien, dem Libanon und der Türkei im Rahmen des Resettlement-Programms aufgenommen. Hauptaufnahmeländer sind dabei die USA, Kanada und Australien, dann kommen die Nordeuropäischen Länder. Österreich hat ab 2013 die Hilfe für 1.500 Menschen zugesagt. Davon sind bis jetzt laut Innenministerium 1.300 in Österreich angekommen. Zur Aufnahme von weiteren 400 Syrerinnen und Syrern hat man sich bereits verpflichtet.