Leslie Maltons Brief an die Schwester

Leslie Malton ist eine in Berlin lebende Schauspielerin mit US-amerikanischen und Wiener Wurzeln. In den 1980er Jahren hat sie als Burgtheater-Mitglied in Uraufführungen von George Tabori-Stücken gespielt. Auch aus deutschen TV-Serien ist ihr Gesicht sehr bekannt. Nun hat Malton das Buch "Brief an meine Schwester" veröffentlicht. Darin beschreibt sie das Schicksal ihrer Schwester Marion, die am Rett-Syndrom leidet; sie erzählt, wie ihr eigenes Leben davon geprägt und auch bereichert wird.

Morgenjournal, 22.12.2015

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Leslie Malton, Roswitha Quadflieg, "Brief an meine Schwester", 224 Seiten, Aufbau Verlag

Elternhilfe Rett-Syndrom

Leslie Maltons Schwester Marion hat ein untrügliches Gespür für menschliches Verhalten; in dem Buch "Brief an meine Schwester" wird sie als wach und neugierig geschildert. Aber sie kann nicht sprechen, sich nicht selbst anziehen und waschen. Mehr als 50 Jahre lang tappte Leslie Malton im Dunklen über die genauen Ursachen. Erst 2012, aufgrund eines Artikels im Berliner "Tagesspiegel", wurde der Schauspielerin klar, woran ihre Schwester leidet: am Rett-Syndrom. Aufgrund einer Genmutation verlieren Rett-Patientinnen und -Patienten fast alle Fähigkeiten wieder, die sie als Kleinstkinder zu erlernen begonnen haben.

Leslie Malton fühlt sich der nur elfeinhalb Monate jüngeren Marion ähnlich eng verbunden wie einer Zwillingsschwester. "Sie ist halt ein Mensch, der Hilfe braucht. Und so war ich immer an ihrer Seite und habe versucht zu erfahren, was sie bewegt, was sie glücklich macht (…)", sagt die Autorin. Das habe sie auch versucht, anderen zu vermitteln. "Und daher ist natürlich eine ganz starke Wahrnehmung und Beobachtung und ein fast gleichzeitiges Atmen entstanden."

Die Kindheit war Maltons Schauspielschule

Als Töchter eines US-Diplomaten und einer Wienerin sind die Schwestern Malton großteils in Berlin und Wien aufgewachsen. Als die Schwestern junge Erwachsene waren, gingen die Eltern mit Marion in die USA zurück. Leslie machte in Deutschland und Österreich Bühnen- und Fernsehkarriere, wurde Ensemblemitglied der Burg, und das ohne reguläre Schauspielausbildung. Die Kindheit mit Marion war gewissermaßen ihre Schauspielschule: "Jemanden zu lesen, zu beobachten, wie sie sich geben, gebärden, wie sie sich körperlich ausdrücken - das zu verstehen und dann in eine Sprache zu übersetzen, die alle anderen verstehen: Also das ist sozusagen mein Basislager gewesen", sagt Malton.

Das behinderte Mädchen Ruthie in George Taboris Stück "Weisman und Rotgesicht" ist zum Teil von Marion inspiriert. Leslie Malton, von Tabori als seine Muse bezeichnet, hat die Figur mit entwickelt und bei der Uraufführung am Akademietheater gespielt. All das und noch viel mehr hat die Schriftstellerin Roswitha Quadflieg nach langen Gesprächen mit Leslie Malton aufgeschrieben. Nach gemeinsamen Überarbeitungen ist ein fesselnder 200-seitiger "Brief an Marion" entstanden, zugleich das uneitle Erinnerungsbuch einer besonders reflektierten Schauspielerin.

Direkte, pure Kommunikation

Unverblümt ehrlich spricht sie nicht nur grobes Fehlverhalten von Ärzten und Betreuern an, das es auch gab, wie die Vergewaltigung ihrer Schwester in einer Pflegefamilie; sondern auch falsche Reflexe ihrer Eltern. Insgesamt zieht sie aber eine positive Bilanz über dieses ungewöhnliche Familienschicksal. "Diese Auseinandersetzung mit so einem Menschen, der einem auch so viel Freue gibt! Marion liebt zum Beispiel Tomaten. Wenn man ihr eine Tomate gibt, dann sieht man, wie dieses Gesicht aufgeht und wie sie sich freut. Und das ist schon eine so direkte, pure Kommunikation - dadurch ist es in der Familie prävalent geworden, andere glücklich zu machen, ihnen Freude zu bereiten. Und das ist schon ein großes Geschenk, das man mit in sein Leben nehmen kann."

Leslie Malton ist Botschafterin der deutschen Elternhilfe für Kinder mit Rett-Syndrom.