Kino-Doku über Janis Joplin
Die musikalische Epoche der 60er Jahre hat sie wie kaum eine andere geprägt: Janis Joplin. Doch den größten Erfolg ihrer Karriere, den ihres Albums "Pearl", hat sie nicht mehr miterlebt - sie starb an einer Überdosis Heroin.
8. April 2017, 21:58
So kennt man sie vor allem als Figur des Clubs 27, Musikerinnen und Musikern, die alle im Alter von 27 Jahren an einer Überdosis gestorben sind: so auch Kurt Cobain oder Amy Winehouse. Doch es gibt auch eine weniger bekannte Janis Joplin, die die US-amerikanische Regisseurin Amy Berg in ihrer Dokumentation "Janis: Little Girl Blue" zeigt.
Morgenjournal, 27.1.2016
Wirbelwind und zerbrechliches Mädchen
Auf der Bühne war sie eine Wucht, ein Wirbelwind aus Energie und unbändiger Lebenslust - Janis Joplin brachte die Bühne zum Beben und ihr Publikum zum Tosen. Als sie am 4. Oktober 1970 an einer Überdosis Heroin stirbt, weiß kaum jemand, dass sie den Drogen eigentlich abgeschworen hatte und seit gut einem halben Jahr clean war. Für viele war ihr Tod das logische Ende eines ausufernd exzessiven Lebens. Amy Bergs "Little Girl Blue" erzählt von diesem Rock ‘n‘ Roll-Leben, aber auch von einer anderen Janis Joplin - einem verletzlichen Mädchen, das nach Anerkennung strebte.
"Little Girl Blue" ist eine dichte Collage aus Fotos, Tagebucheinträgen, Original-Aufnahmen und Interviews mit Wegbegleitern und der Familie von Janis Joplin. Dass es den Film überhaupt gibt, geht auf eine Initiative der Familie zurück: Sie öffnete das private Archiv, suchte sich eine passende Regisseurin und gab die Doku in Auftrag. Und was heute kaum vorstellbar scheint, macht sich "Little Girl Blue" geschickt zunutze. Joplin schrieb nämlich regelmäßig an ihre Familie und diese Briefe zeigen eine sehr zerbrechliche junge Frau. Für Joplin war Erfolg eine Frage des Ehrgeizes, oder wie sie es formulierte, des unbedingten Bedürfnisses, geliebt zu werden.
Kindheit in der texanischen Kleinstadt
Janis Joplin wächst in der texanischen Kleinstadt Port Arthur zum aufsässigen Beatnik-Mädchen heran. Die Zeiten sind gerade dabei sich zu ändern, doch Joplin ändert sich schneller und entfremdet sich von ihrer Umwelt. Wegen ihres Aussehens und weil sie anders ist als die anderen wird sie angefeindet. Im Blues findet sie einen Anker und einen Verstärker ihrer Gefühle. Für Regisseurin Amy Berg kommt die spätere Verletzlichkeit der nach außen so selbstsicher wirkenden Joplin aus dieser Phase ihres Lebens.
Im großen Rock 'n' Roll-Zirkus landet Joplin als Teil von "Big Brother and the Holding Company". Und sie tut dies mit einem extremen Verlangen danach, die Orgie an Zurückweisungen aus ihrer Jugend vergessen zu machen. Im Musikmachen fand sie die pure Lebensfreude. Und spätestens beim Monterrey Pop verzaubert Joplins kindliche Wildheit die Popwelt endgültig. Aus dem unterdrückten Entlein ein wilder Schwan wird, wie Janis Joplin sich von ihrer Band emanzipiert und zur elektrisierenden Frontfrau und zur neuen Stimme des jungen Amerika wird.
Doch je mehr Janis Joplin mit Federboa und rosa Hippie-Brillen zur Ikone wird, desto mehr wird sie auch zur Karikatur ihrer selbst. Zu einer öffentlichen Figur und einer Rolle, die sie spielen muss, weil sie immer noch Angst davor hat, die Menschen zu enttäuschen, wie Regisseurin Amy Berg meint. Was nach außen wie die ungebremste Unabhängigkeit einer selbstbestimmten Frau aussieht entpuppt sich als zerbrechliche und liebesbedürftige.
"Little Girl Blue" glückt ein intimes Porträt einer Frau, die man dachte genau zu kennen. Es ist die Geschichte einer ebenso starken wie verletzlichen Außenseiterin, die am Ende trotz aller Erfolge einsam blieb und ihre Isolation nie wirklich überwinden konnte.