Michieletto inszeniert "Otello" in Wien
Heute Abend hat im Theater an der Wien "Otello" Premiere. Allerdings nicht die Oper von Giuseppe Verdi, sondern die 71 Jahre davor entstandene Version von Gioachino Rossini. Lange Zeit war sie fast vergessen und hat in den letzten Jahren eine weltweite Renaissance erfahren. Nun ist sie in der Inszenierung von Damiano Michieletto zu erleben - mit John Osborn in der Titelrolle und Nino Machaidze als Desdemona.
8. April 2017, 21:58

Die georgische Sopranistin Nino Machaidze
APA/GEORG HOCHMUTH
Mittagsjournal, 19.2.2016
Rossinis "Otello" entstand 1816 zwischen den auf den heutigen Spielplänen noch so vertretenen Opern "Il barbiere di Siviglia" und "La Cenerentola". Im Gegensatz zu der 71 Jahre später entstandenen Oper von Verdi, die sich auf den Spielplänen durchgesetzt hat, hat Rossinis Werk nur sehr wenig mit der Shakespearschen Vorlage zu tun. Es war ja damals durchaus üblich, die Shakespeare-Stücke sehr verändert - manchmal fast entstellt - zu vertonen.
Im 21. Jahrhundert entrümpelt
Auch die Komponisten beziehungsweise Intendanten nahmen es in der Folge nicht so genau: Sehr bald wurde die Oper mit anderen Rossini-Arien aus "Armida" oder "La Donna del Lago" aufgeputzt. Am Ende war von Rossinis Werk nicht mehr viel übrig geblieben. Im 21. Jahrhundert hat man recherchiert, entrümpelt und sich wieder des Originals bedient und so ist auch am Theater an der Wien nun "Otello" pur zu hören.
Antonello Manacorda, Dirigent der Produktion: "Es gibt unglaublich viel interessante Musik und Stoffbearbeitung von Rossini in diesem Stück. Leider ist es so, dass der Librettist nicht so tolle Arbeit gemacht hat. Es war kein professioneller Librettist, und so bleiben viele Lücken. In diesen Fällen, haben wir zu Shakespeare geschaut."
Bei Rossini ist Desdemona zum Verdruss ihres Vaters heimlich mit Otello verheiratet, alles spielt sich quasi in der Familie Desdemonas ab, aus dem verhängnisvollen Taschentuch ist ein Brief geworden, alle echten Szenen mit Jago sind gestrichen. Die Handlung wurde von Zypern nach Venedig verlegt.
"Aus Jago wird mehr, als er zu singen hat"
Für Regisseur Damiano Michieletto war das auch die Gelegenheit, ein Außenseiterdrama auf die Bühne zu bringen. Otello, der als Muslime mit Turban nicht in die reiche vornehme Venezianer Gesellschaft akzeptiert wird: "Hat man Shakespeare im Sinn, gelingt es auch den einzelnen Figuren den Charakter zu geben, den ihnen das Libretto leider nicht gibt: Aus Jago kann mehr werden, als er zu singen hat, weil man ihm ein Stück des Shakespearschen Charakters dazugeben kann. So kann man einem Libretto, das nicht sehr feurig ist, durch die Gedanken Shakespeares mehr Gewicht geben. Das war für mich der schönste Teil meiner Arbeit, dass ich die Geschichte mit umfassenden, tiefgründigen Vorstellungen unterfüttern konnte."
Rossini hat - wahrscheinlich standen sie damals in Neapel zur Verfügung - seinen "Otello" für sechs Tenöre, einen Bass und zwei Soprane geschrieben. Zu hören sind John Osborn in der Titelrolle und Nino Machaidze als Desdemona.
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Theater an der Wien - Otello