Balkanroute: Ausharren im Niemandsland
Auf der geschlossenen Balkanroute stecken insgesamt 5.000 Menschen fest. Allein im Niemandsland zwischen Mazedonien und Serbien sind es 400 Syrer und Iraker, großteils mit Familien und kleinen Kindern, und diese Menschen müssen in kleinen Campingzelten in Regen und Schlamm ausharren. Ö1-Redakteur Bernt Koschuh hat sich ein Bild über die Lage Menschen an der serbisch-mazedonischen Grenze gemacht.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 12.3.2016
Bernt Koschuh, wie ist denn derzeit die Lage der Menschen?
Es sind geschätzt 50 kleine bunte Campingzelte, die da im Schlamm stehen, im fünf bis zehn Zentimeter hohen Matsch, weil es tagelang viel geregnet hat. Überall hört man Husten, vor allem hustende Kinder, die Syrer und Iraker sagen, es sind 150 bis 200 Kinder unter den 400 Menschen da im Niemandsland. Vereinzelt sind Feuer angezündet aus Ästen und Abfällen, wo man versucht, sich zu wärmen. Und einer der Männer, ein studierter Jurist, hat mir erklärt, dass diese Menschen vor fünf Tagen so wie Tausende andere zuvor vom Bahnhof Tabanovce in Mazedonien zu Fuß nach Serbien zum nächsten Bahnhof gehen wollten und sollten – und dann war die Grenze zu.
Er sagte: „Am Anfang sind wir nur hier im Regen gestanden und die Kleidung war nass und den Kindern war kalt und jetzt sind sie krank. Wir durften nicht über die Grenze und die mazedonische Polizei hat gesagt, wir dürfen auch nicht zurück ins offizielle Camp, ihr müsst hier bleiben. Ihr habt schon die Ausreise-Stempel. Ihr seid illegal.“
Von Hilfsorganisationen haben sie dann die kleinen Campingzelte bekommen, wo sie jetzt campieren.
Nun gibt es an der serbisch-mazedonischen Grenze auch ein offizielles Camp. Gäbe es dort Platz für die 400 Menschen aus dem Niemandsland?
Das ist die entscheidende Frage. Mittlerweile jedenfalls dürften die Menschen im Niemandsland zurück ins offizielle Camp, wo es geheizte Container und geheizte Großzelte gibt. Nur Platz ist dort eigentlich keiner für diese zusätzlich 400.
Von den 600 Menschen im offiziellen Camp sind übrigens die meisten Afghanen, die schon länger, bis zu 25 Tage hier festsitzen. Und da schlafen teilweise 100 Leute in einem großen Zelt. Es wurden Parkbänke so zusammengestellt, dass man Matratzen drauflegen kann und das sind die Schlaflager, wie gesagt für manche seit 25 Tagen.
Bei einer derart angespannten Situation könnte man sich vorstellen, dass Unruhe herrscht, dass es zu Reibereien kommt, ist das der Fall?
Also ich muss sagen, es ist beeindruckend ruhig, friedlich, eine freundliche Stimmung, wenn man bedenkt, da schlafen Leute in kleinen Zelten oder eben seit Wochen zusammengepfercht in Großzelten. Die Flüchtlinge und Migranten haben anscheinend die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass sie irgendwann doch weiter dürfen Richtung Westeuropa. Aber die Ratlosigkeit und Verwirrung ist schon gewaltig. Normalerweise stellen ja wir Journalisten die Fragen, aber hier wurden mir ebenso viele Fragen gestellt, nämlich ob Österreich und Deutschland nicht doch noch einmal ermöglichen, dass die Grenzen geöffnet werden und die ganz knapp zu spät gekommen Syrer, Iraker und Afghanen aufnehmen.
Gibt´s auch Flüchtlinge, Migranten, die jetzt versuchen mit Schleppern weiter zu kommen?
Ja, das wird sicher zunehmen. Aret Shakir, ein Mitarbeiter des UNO-Flüchtlingshochkommissariats hier hat mir erklärt:
„Die Existenz von Schmuggler-Netzwerken hier in den Dörfern an der Grenze ist kein Geheimnis, das weiß man. Wir raten den Menschen ab davon, sich mit diesen Schleppern einzulassen. Also wir warnen sie.“
Vor zwei Wochen sind zwei Migranten oder Flüchtlinge brutal von Schleppern zusammengeschlagen worden, ja sogar mit Messern wurden sie verletzt und waren tagelang im Krankenhaus. Wahrscheinlich war ein Streit um den Schlepperlohn der Auslöser. Also das ist eine riskante Variante. Es dürften auch schon Menschen versucht haben auf die Züge Richtung Serbien zu gelangen aber die werden ganz genau kontrolliert auf serbischer Seite. Einzelne sollen sich aber auch schon zurück auf den Weg in Richtung Griechenland gemacht haben.
Ist eine irgendeine Lösung geplant?
Der UNHCR-Mitarbeiter hat mir gesagt, dass demnächst größere, solidere und wärmere Zelte aufgestellt werden sollen direkt im Niemandsland an der Grenze, speziell um die Gesundheit der vielen kleinen Kinder sind hier alle sehr besorgt. Alle hoffen, dass es keine Todesfälle gibt. Aber momentan scheint die medizinische Versorgung ausreichend zu sein durch das Rote Kreuz.