Zum 100. Geburtstag von Yehudi Menuhin
Er hat alles sehr zeitig, sehr schnell und sehr gründlich gemacht. So konnte er in seinem langen Leben auch viel umsetzen, viele Berge ersteigen, deren Fuß andere nicht einmal erreichen.
8. April 2017, 21:58
Yehudi Menuhin, der am 22. April 1916 in New York geborene Sohn russischstämmiger Juden, begann als geigendes Wunderkind und entwickelte sich zu einer weltweit respektierten Autorität als Humanist. Im Zweiten Weltkrieg spielte er hunderte Konzerte für die US-Army, unmittelbar danach spielte er als erster jüdischer Künstler von Rang im besiegten Deutschland für die Überlebenden der nationalsozialistischen Konzentrationslager ebenso wie für die deutsche Zivilbevölkerung.
Er stiftete Schulen, Kursbetriebe und Wettbewerbe für junge Musiktalente, er suchte in zahlreichen Projekten, Behinderten, sozial Schwachen und alten Menschen Zugang zur Musik zu verschaffen. Er gründete und leitete Festivals im englischen Bath und im schweizerischen Gstaad. Er dirigierte über vier Jahrzehnte lang Orchester auf allen Kontinenten. Es gibt wohl keinen Musiker, dem mehr Orden, Auszeichnungen, Ehrendoktorate und Preise zuerkannt wurden - bis hin zur Aufnahme in den britischen Adelsstand.
Er war gebürtiger US-Amerikaner, dann Schweizer Staatsbürger und schließlich Brite. Gestorben ist er 1999 in Berlin, in der Stadt, in der er mit nicht ganz 13 Jahren an einem Abend unter der Leitung von Bruno Walter den Solopart in drei Violinkonzerten gespielt hatte, dem E-Dur-Konzert von Bach und den Konzerten von Beethoven und Brahms.
"Ich bin fasziniert von allem Menschlichen" war einer seiner zentralen Leitsätze. Und das machte sein unglaubliches Charisma aus, dem sich niemand entziehen konnte. Berührungsängste kannte er ganz gewiss nicht. Mit dem indischen Sitarspieler Ravi Shankar musizierte Yehudi Menuhin ebenso wie mit dem Jazzgeiger Stéphane Grappelli. Er war Präsident des internationalen Musikrates der UNESCO, kämpfte für die Menschenrechte in der UdSSR und in China. Mit der Initiative Live Music Now rief er 1977 ein Programm ins Leben, um Konzertmusik an Arbeitsplätze, in Krankenhäuser und Gefängnisse zu bringen. Und er trachtete im Gespräch mit Politikern und Regierenden nach einer nationenübergreifenden Humanitas; Nationalismus und selbst Patriotismus waren für Menuhin Gedankengefängnisse.
"Musik zivilisiert" war seine Überzeugung. Musik war ihm ein ganz reales Mittel gegen Krieg, Unterdrückung, Ungerechtigkeit, Werteverfall, denn: "Von einer Musikschule kommen keine Kriminellen." Gedanken, die der stets emsig Tätige auch in seinen Büchern darlegte. Dort finden sich auch Forderungen wie: "Das Recht der Menschen auf Stille, auf saubere Luft und reines Wasser, auf Wiesen und Wälder und nicht verunreinigte Lebensmittel gehört in die Verfassung aller Staaten." Vielleicht war Yehudi Menuhin ganz einfach ein großer Prophet?