Vojislav Seselj freigesprochen

Sensationelles Ende des Prozesses in Den Haag gegen den serbischen Nationalistenführer Vojislav Seselj: Freispruch in allen Anklagepunkten durch das Internationale Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien. Die Anklage konnte nach Ansicht der Richter nicht genug Schuldbeweise vorlegen.

Vojislav Seselj

AP/ANDREJ CUKIC

Mittagsjournal, 31.3.2016

9 Anklagepunkte hatte es gegeben, in allen 9 ist Voislav Seselj heute freigesprochen worden. Mord, Folter, Vertreibung, Verbrechen gegen die Menschlichkeit - nichts von alledem konnte von der Anklage zweifelsfrei nachgewiesen werden. Der Vorsitzende Richter Antonetti sagte nach der Verkündung der Freisprüche: Mit diesem Freispruch in allen neun Punkten der Anklage wird der von diesem Gericht ausgegebene Haftbefehl vom 17. Juni 2015 gegenstandslos. Vojislav Selselj ist daher infolge des Urteils ein freier Mann.

In der heutigen Urteilsverkündung haben die Richter die Anklage völlig zerpflückt. Nichts von den Vorwürfen ist übrig geblieben, weil, wie die Richter in der Urteilsbegründung nicht müde werden zu erklären, die Anklage zu wenig spezifisch war, zu viele Ungereimtheiten enthielt und zu ungenau vorgetragen war. Seselj wird zum Beispiel vorgeworfen, den Plan eines Großserbien verfolgt zu haben, und dazu kriminelle Methoden angewandt zu haben, wie Mord oder Vertreibung. Die Richter urteilten heute aber anders, denn, wie sie sagen: Das Projekt, ein Großserbien, wie Seselj es vorangetrieben hat, ist ein politischer Plan, kein krimineller.

Das heißt im Übrigen nicht, dass die kriminellen Taten nicht begangen worden wären. Es fehlte aber der Nachweis, das Seselj dafür verantwortlich war oder tatsächlich zu diesen Taten angestiftet hat. Am Beispiel seiner Freiwilligen, die er für die jugoslawische Armee rekrutiert hat, den sogenannten Tschetniks: Dass er Befehlsgewalt über sie hatte, sobald sie der Armee eingegliedert waren, konnte nicht nachgewiesen werden. Daher auch nicht, dass Seselj die ihnen zur Last gelegten Taten angeordnet oder gut geheißen hat. Ähnliches gilt für die Hassreden, die er hielt.

Die Richter sind der Ansicht, dass es nicht gelungen ist, zu belegen, dass sie wörtlich und nicht nur zur moralischen Unterstützung der eigenen Seite gemeint waren - wenn er etwa ethnische Säuberungen androhte. Insgesamt ist der Prozess, der seit 2007 unter zum Teil fragwürdigen Umständen stattgefunden hat, eine Niederlage für die Anklage. Seselj, der 2014 wegen einer Krebserkrankung aus der Haft entlassen worden ist und in Serbien seine großserbischen Träume weiterhin politisch verfolgt, war heute nicht im Gericht anwesend. Dafür habe er keine Zeit, sagte er gestern einer serbischen Zeitung.