Christian-Petzold-Schau im Filmmuseum
Der deutsche Filmemacher Christian Petzold gilt als Mitbegründer der Berliner Schule und als einer der genauesten Analytiker der deutschen Gegenwart und Geschichte. Bis 4. Mai ist Petzold im Österreichischen Filmmuseum eine große Werkschau gewidmet; zu sehen sind auch seine Lieblingsfilme.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 8.4.2016
In seinen Spielfilmen wie "Die innere Sicherheit", "Barbara" oder "Yella" hat er sich mit dem Terrorismus der RAF, der DDR-Diktatur und der Wirtschaftskrise auseinandergesetzt. Zuletzt hat der leidenschaftliche Krimileser fürs Fernsehen zwei Folgen der Serie "Polizeiruf 110" gedreht.
Der passionierte Krimileser
Darin erzählt der Kommissar seiner Kollegin mit einem spitzbübischen Grinsen, dass er sich seine gefinkelte Verhörtechnik aus Krimis angelesen habe. Und auch Petzold gibt gerne zu, dass er Kriminalromanen einiges zu verdanken hat. So haben sich er und sein früherer Co-Autor, der 2014 verstorbene Essayfilmer Harun Farocki, auch an ihren Lieblingskrimis geschult. "Was wir in den amerikanischen und skandinavischen Krimis entdeckt haben, war Alltagswissen. Das ist sonst aus der Literatur verschwunden", so Petzold.
Wechsel auf Digitalkamera
In seinen Kinofilmen war Petzold bis dato ein glühender Verfechter des 35-Millimeter-Films. Seinen "Polizeiruf" hat er jetzt erstmals mit Digitalkameras gedreht, gleich zu Beginn aber fast eine Art Ehrenkodex eingeführt: "Wo das Material nichts mehr kostet, müssen wir noch sparsamer sein. Ich hasse dieses sinnlose Geblubber von Fotos. Wenn man digital dreht, muss man so drehen, als ob man als tägliche Ration nur sieben Pixel erhält."
Romanverfilmung "Transit"
Weil es kaum mehr Kopierwerke gibt, wird auch Petzolds neuer Kinofilm digital entstehen. Es handelt sich um eine Adaption von Anna Seghers Flüchtlingsroman "Transit" der im Marseille des Jahres 1940 spielt. Ende Mai soll das Buch fertig sein, gedreht wird dann im Frühling 2017 und im Film werden, soviel verrät Petzold, die Gespenster von 1940 in der heutigen Situation unterwegs sein.
Seiner Vorliebe für geisterhafte und aus der Welt gefallene Hauptfiguren wird Petzold also auch im neuen Film treu bleiben. Sie setzt er gerne als Seismografen ein, mit deren Hilfe er gesellschaftlichen Beben und Erschütterungen nachgeht. Wobei bei Petzold Anspruch und Spannung immer Hand in Hand gehen müssen. Nicht umsonst ist Hitchcocks "Vertigo" sein absoluter Lieblingsfilm.
Bis 4. Mai zeigt das Österreichische Filmmuseum Petzolds Werk und seine Lieblingsfilme und Christian Petzold wird noch bis einschließlich Montag in Wien sein, seine Filme begleiten und eine Meisterklasse abhalten.
Service
Filmmuseum - Christian Petzold. Gesamtwerk und Carte blanche
Filmmuseum - Notizen von Christian Petzold zu den von ihm ausgewählten Filmen