Bibelessay zu Johannes 21, 1 – 19

Eigentlich ist das Evangelium bereits zu Ende. Aber dann kommt doch noch eine Geschichte. Sie hörten sie gerade. Der auferstandene Jesus zeigt sich seinen Jüngern. Aber davon wurde schon vorher erzählt. Vielleicht geht es hier um etwas anderes. Zum Beispiel um Simon Petrus und um den Jünger, den Jesus liebte. Um ihr Verhältnis zueinander, um ihre Rollen.

Ich bleibe bei Petrus: Er erkennt zuerst gar nicht, wer da am Ufer steht. Dazu braucht es diesen anderen Jünger, "den Jesus liebte". Er sagt dem Petrus, wer da steht. Da zieht sich Petrus an und springt ins Wasser. Man konnte Petrus schon einmal im Wasser begegnen: In einem anderen Evangeliumstext sah er Jesus übers Wasser gehen, wollte das selbst auch und ist dabei untergegangen. Derselbe Petrus hat - so wird erzählt – mehrfach geleugnet, zu den Jüngern zu gehören. Auf diese Szene wird hier eindeutig angespielt, wenn Jesus Petrus dreimal fragt, ob er ihn liebt.

Wann wurde diese Geschichte geschrieben und warum wurde sie einem Buch angehängt, das eigentlich schon zu Ende geschrieben war?

Einen Hinweis darauf gibt die Prophezeiung, die Jesus zu Petrus sagt: "Wenn du aber alt geworden bist, wirst du deine Hände ausstrecken und ein anderer wird dich gürten und dich führen, wohin du nicht willst". Wer das geschrieben hat, wusste schon um das Martyrium, das Petrus erlitten hatte. Das heißt, der Text entstand in einer Zeit, in der die ersten Jünger bereits tot waren. Geschichten, mit denen man weitergeben konnte, was erlebt bzw. gehört worden war, wurden deswegen besonders wichtig. Aber auch Geschichten, die davon erzählen, wie das Erlebte überhaupt weitergegeben werden kann und wer das tun soll und darf. Also wer die Autorität hat, das zu tun.

Deswegen wird dieser Text dem Evangelium angehängt. Diese frühen Christen erzählen sich Ostern, ja. Aber sie erzählen sich auch Beauftragungen, sie erzählen sich, wer Autorität bekommen hat. Etwa Petrus und der andere Jünger, auf unterschiedliche Weise.

Was sie da erzählen, ist durchaus seltsam. Dass nämlich gerade Petrus von Jesus auserwählt wird für die Nachfolge, liegt eigentlich nicht auf der Hand. So wie die Evangelien von ihm erzählen, erscheint er nicht gerade wie ein Fels. Er verleugnet Jesus. Er schläft ein, statt zu wachen. Er geht im Wasser unter, statt über den See zu gehen. Er erkennt Jesus nicht. Das alles klingt nicht gerade nach dem Stellenprofil für eine kompetente Führungskraft. Und trotzdem: Gerade der wird auserwählt. So erzählen es die ersten Christen.