"Kampfrhetorik nicht hilfreich"

In der Flüchtlingskrise rückt die Brenner-Grenze immer mehr ins Scheinwerferlicht. Österreich hat dort mit dem Bau von Sperren begonnen und verteidigt dies als Notmaßnahme. Auf italienischer Seite in Südtirol und in Rom wird das scharf verurteilt. Der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher vermisst Sensibilität für die Bedeutung der Brenner-Grenze“.

Mittagsjournal, 16.4.2016

Arno Kompatscher

APA/EXPA/JOHANN GRODER

Dass Verteidigungsminister Hans-Peter Doskozil kürzlich sogar eine Totalsperre der Brennergrenze in den Mund nahm, kommt auf der anderen Seite, in Südtirol, gar nicht gut an. Von Kampfrhetorik spricht da der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher. Er vermisst bei „einigen Mitgliedern der Bundesregierung die Sensibilität für die Bedeutung der Brenner-Grenze“. Und spricht dabei neben Doskozil auch von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). „Insbesondere die letzten Äußerungen Doskozils sind aus unserer Sicht absolut daneben. ‚Totalschließung‘ erinnert wirklich an Rhetorik vergangener Zeiten. Ich weiß auch nicht, wer die Adressaten sind. Schlepper in Libyen? Die italienische Regierung? Oder die Wähler im eigenen Land?“

Um über die Schritte, die Österreich am Brenner setzt, informiert zu sein, wurde eine Taskforce zwischen Tirol, Bayern, Südtirol, dem Trentino auf Ebene der Ordnungskräfte eingerichtet. Kompatscher: „Trotzdem überrascht es dann manchmal, wenn über die Medien andere Informationen kommen, die dann auch wieder zu großem Aufruhr führen.“

Derzeit sei die Lage ruhig. Laut Kompatscher kommen täglich 20 bis 40 Migranten über den Brenner. „Das kann sich natürlich ändern. Rund 1.000 Personen kommen pro Tag in Süditalien an. Man muss also schon agieren. Aber nicht durch Schließungsmaßnahmen, sondern durch eine gemeinsame europäische Initiative.“

Den Vorwurf Österreichs, Italien würde Flüchtlinge Durchwinken, hält Kompatscher „aus Sicht Österreichs für berechtigt“. Das Problem ist, dass die anderen EU-Staaten ihren Verpflichtungen nicht nachkommen. „Es ist vereinbart worden, dass es zu einer Umverteilung kommt. Aber Polen, Tschechien und Ungarn weigern sich, auch nur einen Flüchtling aufzunehmen. Die haben eine eigenartige Vorstellung von europäischer Solidarität – Geld schon, aber Flüchtlinge nicht“, so Kompatscher.