Neil Simons "Brooklyn Memoiren" am Volkstheater

Vom Leben einer jüdisch-polnischen Familie im New York der 1930er Jahre handelt die letzte Premiere von Anna Badoras erster Saison am Wiener Volkstheater: Neil Simons Komödie "Brooklyn Memoiren" hat am Freitag Premiere.

Sie ersetzt die aus politischen Gründen abgesetzte Uraufführung "Homohalal" des syrischen Autors Ibrahim Amir - eine düstere Zukunftsvision rund um die Flüchtlinge und Aktivisten, die vor drei Jahren vor und in der Votivkirche protestierten.

Anja Herden als "Kate", Rainer Galke als "Jack", Birgit Stöger als "Blanche" und Nils Rovira-Munoz als "Eugene" am Dienstag, 19. April 2016, während der Fotoprobe zu "Brooklyn Memoiren" im Volkstheater in Wien

Zwei Generationen im Wohncontainer - Familienzwist ist vorprogrammiert.

APA/GEORG HOCHMUTH

Mittagsjournal, 21.4.2016

Migration von einer unverfänglichen Seite

Zu negativ seien die Zukunftsvisionen in Ibrahim Amirs Stück "Homohalal" gewesen, zu aktualisierungsbedürftig das Stück, und ein Diskurs über Geflüchtete sei zur Zeit zu stark von Angst und Hass geprägt - jüngster Beweis ist die Störaktion im Audimax. In dieser Situation sei eine Dystopie - also eine fiktionale Zukunftsgeschichte mit negativem Ausgang - kein geeignetes Mittel zur Auseinandersetzung, hieß es im Februar aus dem Volkstheater.

Der Autor hat das verstanden, der Regisseur hat das hingenommen, und so geht man das Thema Migration jetzt von einer anderen, unverfänglicheren Seite an. Mit Neil Simons "Brooklyn Memoiren" darf der deutsch-griechische Regisseur Sarantos Zervoulakos in die Vergangenheit blicken. "Das hat sich inhaltlich angeboten: über dieses Stück einen Aspekt unserer Zeit anzusprechen, der nicht genau der von 'Homohalal' ist, aber natürlich in die Debatte hineingehört", so Zervoulakos.

Neil Simon, beliebter Autor von Boulevardkomödien wie "Sonny Boys" oder "Barfuß im Park", erzählt - ausgehend von seinen eigenen Erfahrungen - eine Familiengeschichte aus dem jüdisch-polnischen Einwanderermilieu der 1930er Jahre in den USA. Der Zweite Weltkrieg steht unmittelbar bevor, und die Flüchtlinge aus Europa vor der Tür.

Zwei Generationen leben auf engstem Raum

Die Geschichte eines engen Zusammenlebens von zwei Generationen - drei Erwachsenen und vier pubertierenden Jugendlichen - transferiert Zervoulakos, zumindest was Ausstattung und Kostüme betrifft, ins Heute. Er spitzt sie noch einmal zu, in dem er die Handlung in einen Wohncontainer verlegt, in dem geschlafen, gegessen, gewaschen, gekocht und geliebt wird. Probleme vorprogrammiert.

Quasi als Chronist seiner Zeit filmt der junge Eugene mit Handkamera den Containeralltag. Dieser ist gezeichnet von Armut, Jobverlust, Krankheiten und der Hoffnung auf ein besseres Leben, irgendwann da Draußen. "In dieser sehr akribisch und lebhaft beschriebenen Lebenssituation sind Parallelen zu Menschen, die heute aus verschiedensten Gründen ihre Heimat verlassen müssen; die irgendwo neu anfangen und Startbedingungen haben, die wahrscheinlich vergleichbar sind", sagt der Regisseur.

Am Ende siegen Solidarität und Familienzusammenhalt. Und obwohl vermutlich noch einige Menschen mehr in dem Container Platz suchen werden, denn die Verwandten aus Europa kommen, ist die Grundstimmung eine positive. Den düsteren Blick in die Zukunft tauscht man im Volkstheater also gerne mit einem leicht verklärten in die Vergangenheit.

Ob die Brooklyn Memoiren ein adäquater Ersatz für "Homohalal" sind, weiß man nicht, denn der Autor hat das Stück nicht freigegeben. Gefälliger und leichter zu verdauen ist das Neil-Simon-Stück mit Sicherheit. Aber vielleicht ist es gerade das, was die erste, mit Sicherheit herausfordernde Spielzeit der Anna Badora jetzt am Ende braucht, bevor sie in zwei Wochen den Spielplan für die kommende Saison vorlegt.

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Volkstheater - Brooklyn Memoiren

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