Fest des Sant Jordi in Barcelona

Am 23. April ehren die Katalanen alljährlich ihren Schutzpatron Sant Jordi, den Heiligen Georg, mit einer kuriosen Tradition, die auch dem Buchmarkt nützt: Nach alter Tradition werden Bücher und Rosen verschenkt. Eine Reportage aus Barelona.

Buchgeschäft in Barcelona

APA/AFP/JOSEP LAGO

Kulturjournal, 25.4.2016

Auf der berühmten Rambla und allen großen Straßen gibt es Stände mit Büchern und Rosen: echte oder künstliche in den unterschiedlichsten Formaten und Materialien, auch aus Zuckerwerk. Sant Jordi ist für die Katalanen vergleichbar mit dem Valentinstag, wo sich Liebende Geschenke machen. Früher schenkte man den Männern Bücher, die Frauen wurden mit Rosen beglückt; heute gibt es Bücher und Rosen für beide. Ein Fest, auf das die Katalanen sehr stolz sind, und das aus dem 15. Jahrhundert stammt.

Fest der Bücher statt Buchmesse

Für Buchhändler und Autoren ist es auch ein wirtschaftlich wichtiger Tag, denn sieben Prozent des Jahresumsatzes wird da getätigt. Die Schriftstellerin Blanca Busquets, Autorin von acht Romanen und Erzählungen, Trägerin des Preises der Katalanischen Buchhändler: "Sant Jordi war immer ein sehr katalanisches Fest, der Hl. Georg, der Drachentöter ist ja ein Schutzpatron Kataloniens. Für uns ist das ein ganz spezieller Tag, wir haben keine große Buchmesse, dafür ein Fest der Bücher!"

Eine fröhliche Menschenmenge drängt sich zwischen den über Nacht aufgebauten Ständen. Da gibt es Bücher in allen Sprachen, und es ist auch die Möglichkeit, mit den Autoren ins Gespräch zu kommen. Unter ihnen Marius Serra, Buchautor, Essayist, aber auch Verfasser von Kreuzworträtseln und Wortspielen. Für ihn ist Sant Jordi ein Riesenfest, das sich in den letzten Jahren unheimlich entwickelt und Dimensionen erreicht hat, die schon beängstigend sind, aber abgesehen davon ist es sein Fest: "Sant Jordi ist ein Fest der Bürger, der ganzen Gesellschaft. An diesem Tag werden viele Bücher und Blumen verkauft. Für die Katalanen ist es auch der Tag der Liebe, und wir erleben ihn sehr intensiv!"

UNESCO-Literaturstadt

Für diesen besonderen Bezug zur Literatur bekam Barcelona im vergangenen September das Label der UNESCO "Stadt der Literatur". Marina Espasa leitet das UNESCO-Büro in Barcelona, für sie ist diese Auszeichnung auch für das Image der Stadt wichtig: "So werden die Menschen Barcelona nicht nur mit Sonne, Strand, dem Nachtleben, dem Trinken und Feiern verbinden, sondern auch mit Autoren und Büchern, die etwas über die Stadt erzählen, die die Stadt auch als intellektuelle Stadt darstellen."

Im Gegensatz zu vielen anderen Städten wurde das Sterben von Buchhändlern gestoppt: "Vor acht bis zehn Jahren haben einige zugesperrt. Da hat es geheißen: ‚Das ist das Ende des Buches und der Kultur.‘ Aber - man weiß nicht warum - seit einigen Jahren haben fünf, sechs kleine Buchhandlungen in den Bezirken aufgemacht, die sehr aktiv sind, und die echte Kultur-Zentren geworden sind."

"Wir wollen einen unabhängigen Staat"

Unter dem neuen Präsidenten Kataloniens, Carles Puigdemont, werden die Unabhängigkeitsbestrebungen intensiviert. Er weiß dafür eine absolute Mehrheit der katalanischen Abgeordneten hinter sich. Nur wenige Tage vor Sant Jordi hat er sich mit dem spanischen Premier Rajoy in Madrid getroffen, doch die Standpunkte sind nach wie vor gleich. Es gibt keine Bewegung in der Causa. Laut Zahlen der Katalanischen Regierung sind 48 Prozent der Bevölkerung für die Unabhängigkeit, doch immerhin 39 Prozent dagegen, 80 Prozent seinen für ein Referendum, das, auch wenn es nicht bindend sei, von Madrid nach wie vor strikt abgelehnt wird.

"Die Position Kataloniens ist klar: Wir wollen einen unabhängigen Staat; und leider ist es im Moment nicht möglich, sich an einen Tisch zu setzen", sagt Carles Puigdemont. Er nennt die Beziehungen zu Madrid juristisch, nicht politisch, weil, wie er sagt, alle Vorschlägre seiner Regierung - anstatt behandelt zu werden - sofort dem Verfassungsgerichtshof vorgelegt werden, der sie dann meist als verfassungswidrig ablehnt.

Verlagswesen und Leser

Die Schriftsteller in Katalonien haben die Wahl, auf Spanisch oder Katalanisch zu schreiben. Wobei natürlich Spanisch größere Leserkreise erreicht. Bel Olid, die junge, dynamische Präsidentin der Vereinigung der auf Katalanisch schreibenden Autoren: "Nur 26 Prozent der Katalanen lesen auch katalanische Bücher, 70 Prozent Bücher auf Spanisch. Viele Menschen lesen auf Spanisch, weil sie noch unter der Franco-Diktatur in die Schule gegangen sind, da war Katalanisch verboten. Doch nun ändert sich das: in meiner Generation ist es 50 zu 50, die Jüngeren lesen immer mehr auf Katalanisch. So hoffen wir, dass diese Entwicklung in den nächsten Jahren so weitergeht."

Was das Verlagswesen angeht, äußert sich Bel Olid zufrieden: "Die aktuelle Situation ist ziemlich gut, denn die großen Verlagshäuser haben ihren Sitz in Barcelona. Sie publizieren sowohl auf Katalanisch wie auf Spanisch. Dazu gibt es einen sehr gesunden Markt von unabhängigen kleineren Verlegern, die interessante junge Autoren und Übersetzungen veröffentlichen. Das Problem für einen Autor ist weniger auf Katalanisch publiziert zu werden, sondern in andere Sprachen übersetzt zu werden."

Für katalanische Autoren ist die Verwendung des Katalanischen keineswegs ein politisches Statement, unterstreicht etwa Marius Serra. "Natürlich ist alles was man tut politisch", sagt er. Auf Katalanisch zu schreiben, sei für ihn aber seine natürlichste Ausdrucksform. "Die Entscheidung auf Katalanisch zu schreiben ist nicht militant, es ist eine Liebeshandlung, eine kreative Handlung, die beglückt", sagt Marius Serra. Schöner kann man das wohl kaum ausdrücken.