Performance-Karussell im Künstlerhaus
Der russische Künstler Fjodor Pawlow-Andrejewitsch ist ab morgen zu Gast bei den Wiener Festwochen: Im Künstlerhaus zeigt er sein "Performance Carousel", eine Drehbühne für Performance-Künstler aus aller Welt.
26. April 2017, 12:23
Er lebt in Brasilien und Russland und ist auch als Theaterdirektor und Regisseur tätig. In Russland werden Performance-Künstler oft Opfer repressiver Politik, was "fruchtbar" für die russische Kunst sei, so Pawlow-Andrejewitsch.
Kulturjournal, 13.5.2016
"Mit Gesten mehr sagen"
Fjodors Performance-Karussell ist eine raumfüllende Drehscheibe mit kleinen, abgetrennten Bühnen für Performance-Künstler. Das Karussell dreht sich und mit ihm die Kunst-Aktionen. Allerdings nur, wenn Freiwillige aus dem Publikum auf einem Fahrrad in die Pedale treten, erklärt der Künstler: "Das Karussell ist ein Versuch, vom Zuseher wegzulaufen. Die Performance läuft oder fährt vielmehr vom Zuseher weg. Er muss ihr buchstäblich hinterher laufen. Das macht das Karussell umso interessanter für ihn, er beginnt sich zu fragen, warum läuft das weg?"
Der 40-jährige in Moskau geborene Pawlow-Andrejewitsch war zunächst als Journalist tätig, bevor er sich ganz der Performance-Kunst verschrieb. So machte er auch die staatliche Galerie Soljanka in Moskau, die er als Direktor leitet, zu einem Zentrum für performative Kunst: "Performance ist eine lebendige Kunst, die es dir ermöglicht, mit Hilfe von Gesten, dem Körper und symbolischen Äußerungen weit mehr zu sagen als es oft Künstler anderer Gattungen können."
Kunst floriert trotz Repressalien
Russland ist für Performance-Künstler jedoch kein einfaches Pflaster - zumindest nicht für offen regime-kritische. So landeten zwei Sängerinnen der Punk-Band Pussy Riot im Straflager, nachdem sie in einer Kathedrale ein Lied gegen Präsident Putin angestimmt hatten. Im Gefängnis sitzt derzeit auch der Performance-Künstler und Aktivist Pjotr Pawlenski. Der Grund: Er hatte eine Tür der Geheimdienstzentrale in Moskau in Brand gesteckt, um gegen das Klima der Angst im Land zu protestieren.
Ein Klima, das für Künstler aber durchaus befruchtend sei, meint Fjodor Pawlow-Andrejewitsch: "Für die russische Kunst ist diese politische Lage gut, so seltsam das klingt. So tauchen neue Künstler auf. Sie haben jetzt etwas, worüber sie reden müssen. So war es auch in der Sowjetunion. Diese Jahre des Leids, des Gulags und der Verbote! Sie haben großartige Literaten und Musiker hervorgebracht."
Familie wurde verfolgt
Auch die Familie von Fjodor Pawlow-Andrejewitsch wurde zu Sowjetzeiten jahrzehntelang politisch verfolgt: Sein Vater war Dissident und die Werke seiner Mutter, einer bekannten russischen Schriftstellerin, waren lange verboten. Seine eigenen Kunst-Aktionen seien nicht explizit politisch, betont Pawlow-Andrejewitsch. Allerdings könne ein Künstler heute nicht anders, als auf das aktuelle Umfeld zu reagieren.
Das tue auch er, zum Beispiel in seiner Performance-Aktion "Foundling". Dabei wird der Künstler nackt in einer Glaskiste zu einer Veranstaltung getragen. Etwa zu einer Künstlerparty in Venedig oder aber einer Museumseröffnung in Moskau. Dort wird der ungebetene Gast in seiner Kiste abgestellt und dem Schicksal überlassen: "Das kann auch als politische Botschaft gelesen werden. Ich bin eingesperrt und niemand, außer der Polizei, wird diese Kiste öffnen. Das ist ein großes Risiko. Man könnte mich verletzen oder umbringen. Das zeigt, wie stark ein Künstler heute von aktuellen Umständen abhängt."
"Für viele ist das System bequem"
Pawlow-Andrejewitsch selbst erfährt in Russland bisher keinen politischen Druck auf seine Arbeit. Das Klima der Angst spürt aber auch er: "Wenn ich auf Facebook ein Selbstporträt veröffentliche, so liken das Hunderte. Wenn ich etwas über den Protest-Künstler Pawlenski schreibe, dann fast niemand. Die Leute haben einfach Angst, es zu liken. Angst, dass man ihnen danach am Arbeitsplatz Fragen stellt. Ich arbeite hier in einem staatlichen Museum. Mir ist klar, dass man mich jederzeit hinauswerfen kann."
Und so blickt Fjodor Pawlow-Andrijewitsch wenig optimistisch auf die aktuelle Entwicklung der russischen Gesellschaft und Politik: "Ich glaube nicht, dass in diesem Land ein Umsturz oder eine Revolution möglich ist. Für die Mehrheit der Leute ist das aktuelle System sehr bequem. Die russische Seele ist nicht an Freiheit gewöhnt, die gab es hier nie. Nur etwa 15 Jahre lang, ab Mitte der 1990er Jahre, als die Sowjetunion schon nicht mehr existierte, gab es eine Periode, die für die russische Geschichte einzigartig ist. Damals wurden die Russen plötzlich und unerwartet zu Europäern. Ich denke, das wird sich kaum wiederholen." Er sei glücklich, dass er diese Zeit erlebt habe, sagt Fjodor Pawlow-Andrejewitsch. Und auch, dass er tun und reden könne, was er wolle. Man wisse nie, wie lange das so bleibe.
Service
Wiener Festwochen - Fyodor’s Performance Carousel
Fyodor Pavlov-Andreevich
Solyanka