Roman von Jakob Wassermann

Der Fall Maurizius

Als Franz Kafka 1924 starb, war einer der erfolgreichsten Schriftsteller deutscher Sprache Jakob Wassermann. Im Gegensatz zu Kafka wird er heute wenig gelesen. Deshalb empfehlen wir Wassermanns 1928 erschienenen Roman "Der Fall Maurizius" als Wieder- oder Neulektüre.

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Jakob Wassermann, "Der Fall Maurizius", Roman,
als Taschenbuch bei dtv und bei S. Fischer noch zu haben

1929, als Warlam Schalamow in Moskau verhaftet wurde, als Max Brod daran arbeitete, eine erste Werkausgabe des fünf Jahre zuvor verstorbenen Franz Kafka zusammenzustellen, war Jakob Wassermann gerade einer der erfolgreichsten Schriftsteller deutscher Sprache, neben Stefan Zweig, Thomas Mann oder Lion Feuchtwanger. Sein Roman "Der Fall Maurizius" war ein internationaler Bestseller, der erste Band einer Trilogie, zu der noch die Romane "Etzel Andergast" und "Joseph Kerkhovens dritte Existenz" gehören. 1934 starb Jakob Wassermann 59-jährig in seinem Haus in Altaussee.

Den Stoff für den "Fall Maurizius" fand Wassermann in einer wahren Begebenheit: im aufsehenerregenden Mordprozess gegen Karl Hau, den er 1906 in Zeitungsberichten verfolgen konnte. Der 26-jährige Rechtsanwalt war angeklagt, seine wohlhabende Schwiegermutter durch einen Revolverschuss getötet zu haben. Er wurde zum Tod verurteilt und zu einer lebenslänglichen Zuchthausstrafe begnadigt. Seine Schuld daran bestritt Karl Hau bis zuletzt. Nach 18 Jahren entließ man ihn aus dem Gefängnis und wenig später beging er Selbstmord.

Daraus modellierte Jakob Wassermann seinen Protagonisten Otto Leonhard Maurizius und dessen Geschichte: Im Roman ist Maurizius ein Privatdozent der Kunstgeschichte, dem der Mord an seiner um einiges älteren vermögenden Ehefrau angelastet wird. Wie Karl Hau ist er in finanziellen Nöten und darüber hinaus seiner Geliebten verfallen, der jüngeren Schwester seiner Gattin.

Der Fall Hau blieb ungeklärt. Während Jakob Wassermann von der Schuld des Angeklagten überzeugt war, deutete er das der Wirklichkeit entnommene Material in seinem Roman neu: Dort ist Maurizius das unschuldige Opfer eines Justizirrtums. Wassermann griff damit eines der zentralen Themen seines Werks wieder auf: Recht und Gerechtigkeit und die Möglichkeiten und Grenzen der Rechtsprechung.