von Friedrich Christian Delius
Die Liebesgeschichtenerzählerin
Ein Blick tritt Gefühle los: Angst, Hass oder - Liebe. Boy meets girl – der klassische Plot. Der deutsche Autor Friedrich Christian Delius hat sich in "Die Liebesgeschichtenerzählerin" in seine Tante und die Suche nach ihrer Herkunft versetzt. Der Roman hat zwar mit seiner Familie zu tun, aber es ist keine autobiografische Erzählung.
28. März 2023, 14:34
Authentizität
"Mir kam es nicht darauf an, die Geschichte meiner Tante zu erzählen, sondern das Material, das ich über diese Figur habe, ja, die meine Tante war, das hat mir das Material für den Roman gegeben. Insofern ist es eine literarische Figur, und die Literatur hat ihre eigene Authentizität und darauf kommt es mir an."
In einer sanften, fließenden Prosa verfolgt Delius die Gedankengänge seiner Protagonistin, die auf der Reise ihre Eindrücke und Erinnerungen Revue passieren lässt und darüber nachsinnt, wie sie ihre Geschichte erzählen soll. Es entsteht der Eindruck, sich inmitten eines ständigen Gedankenstroms zu befinden.
Geschichte einer Emanzipation
"Mir kam es ja hier darauf an, eine Geschichte einer Emanzipation zu erzählen, dass eine Frau, die mit 50 Jahren endlich die erste Gelegenheit in ihrem Leben hat, das zu machen, was sie immer wollte. Und da natürlich einerseits ganz eifrig ist und dann aber auch wieder sehr skrupulös und das galt es darzustellen."
Der Roman heißt nicht umsonst „Die Liebesgeschichtenerzählerin“ – denn Marie will drei Liebesgeschichten in ihrer Familie ins Zentrum ihres Buches stellen. Eine handelt vom ersten holländischen König und seiner Berliner Geliebten – ihre uneheliche Tochter ist Maries Ururgroßmutter. Die zweite dreht sich um Maries Eltern, um ihren strengen und wortkargen Vater.
Es ist ein vielschichtiger Roman geworden, ein Roman über die europäische Vergangenheit, über Kriege und Niederlagen, ein Roman über die Frage, wie man einen Roman schreibt, und nicht zuletzt ein Roman über eine Frau, die sich einen langgehegten Traum erfüllt. Und natürlich ist es auch ein Roman über die Liebe und ihre Geschichten. Die Welt, sinniert Marie an einer Stelle, brauche Liebesromane gerade in Zeiten des Hasses. Eine Überlegung, die sehr aktuell erscheint.