Jubel für "The Exterminating Angel"

Mit einer Uraufführung startete am Abend im Haus für Mozart das Opernprogramm der Salzburger Festspiele: "The Exterminating Angel" des Briten Thomas Adès, der schon mit seinem "Tempest" an der Wiener Staatsoper für Furore gesorgt hat. Adès stand selbst am Pult des RSO Wien. Ein Abend, der stimmiger und eines Festspielauftakts kaum würdiger sein könnte.

Morgenjournal, 29.7.2016

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Salzburger Festspiele The Exterminating Angel

Der Applaus hob gleich nach dem rätselhaften Ende von "The Exterminating Angel" nach einer Vorlage des Filmregisseurs Luis Bunuel stark an und kulminierte, als Adès von seinem großartigen Ensemble auf die Bühne geholt wurde. Adès selbst ist mit der Aufführung sehr glücklich, und seine Zweifel, ob die anderen mitziehen werden, sind nach dem lange anhaltenden Jubel leicht auszuräumen.

Alles, was eine Oper braucht

Angebracht sind sie vielleicht doch, wenn man die leeren Reihen hinter seinem Rücken gestern Abend betrachtete. Die teuersten Plätze waren nicht besetzt - was zeigt, dass es Uraufführungen und zeitgenössische Musik immer noch schwer haben, auch wenn einer der bedeutendsten Komponisten unserer Zeit am Pult steht. Angesichts der großen Gästeschar aus dem angelsächsischen Raum, schließlich handelt es sich um eine Koproduktion mit New Yorker Met und der Londoner Covent Garden, ist es auch etwas peinlich.

Denn die Oper hat alles, was eine Oper braucht: einen spannenden Plot, eine stringent in der Tradition der Moderne komponierte Musik mit großen Ausbrüchen, gewaltige Zwischenspiele, Poesie, Terzette und sogar zwei wunderbare Liebesduette.

Die Masken fallen

Viel Glockenklang verweist auch auf letzte Dinge: Die Abendgesellschaft, die sich nach einer Opernaufführung von "Lucia di Lammermoor" einfindet, kann aus geheimnisvollen Gründen nicht mehr nach Hause, lässt nach und nach die gesellschaftlichen Masken fallen, beginnt sich selbst zu zerfleischen, die Barbarei bricht langsam durch.

Doch das ist auch mit sehr viel Ironie und Komik gewürzt: zum Beispiel, wenn man ein Stück von Thomas Adès zur Unterhaltung zu hören wünscht. Tom Cairns, der auch der Librettist der Oper ist, hat ganz im Sinne der Hochspannung der Musik inszeniert und öffnet immer wieder Räume nach draußen, wo Militär und die Angehörigen warte, aber auch nach oben und unten - zu den Engeln und Dämonen.

Großartiges Ensemble

Exzellent die Sängerschar: unter ihnen alte Bekannte aus den Festspielgeschichte wie Anne Sofie Otter, Thomas Allen oder der großartige John Tomlinson als Doktor, aber auch Audrey Luna als Opernsängerin, die die höchsten Töne produzieren muss, ebenso wie Charles Workman.

Was geschieht mit uns? Diese auch angesungene Frage könnte über dem ganzen Abend stehen, der stimmiger und eines Festspielauftakts kaum würdiger sein könnte. Und nach den ersten Anlaufschwierigkeiten und dem üblichen Misstrauen gegenüber zeitgenössischer Musik, nach Mundpropaganda und hoffentlich guten Kritiken werden sich wohl auch beim "Exterminating Angel" die Reihen füllen - bis hin zum Schild "Ausverkauft", wie das in der Festspielgeschichte bei modernen Opern schon so oft der Fall war.