"Julieta" - der neue Almodovar

Der spanische Oscar-Preisträger Pedro Almodovar stellt mit "Julieta" einmal mehr eine starke Frauenfigur in das Zentrum eines Films und kehrt zu großem Erzählkino zurück. Die Mutter-Tochter-Geschichte hatte bei den Filmfestspielen in Cannes Premiere und startet diese Woche in den heimischen Kinos.

Adriana Ugarte (Julieta)

Adriana Ugarte (Julieta)

TOBIS FILM

Mittagsjournal, 4.8.2016

In seiner Heimat sorgte der Regisseur von "Alles über meine Mutter" oder "Volver" zuletzt vor allem für Schlagzeilen, weil sein Name in den Panama-Papers aufgetaucht war. Bei den Filmfestspielen in Cannes im Mai nahm Almodovar dann öffentlich Stellung und entkräftete alle Vorwürfe: Seine Rolle in diesem Skandal sei so klein, dass wären die Panama-Papers ein Film, er nicht einmal im Abspann genannt werden würde.

Rückkehr in die Welt der Frauen

"Julieta" sei eine Rückkehr, so Pedro Almodovar schmunzelnd. Die Rückkehr in eine Welt, die er jetzt wohl nie wieder verlassen werde, die Welt der Frauen. Mit der titelgebenden Julieta stellt Almodovar einmal mehr eine Frauenfigur in das Zentrum eines Films und kehrt nach seiner skurril angehauchten Komödie "Fliegende Liebe" auch wieder zurück zu großem Erzählkino, mit vertrauten Themen und Motiven.

Eigentlich hat Julieta die Koffer gepackt, will weg aus Madrid, doch dann trifft sie auf der Straße eine alte Schulfreundin ihrer Tochter, zu der sie seit Jahren keinen Kontakt mehr hat. Alte Erinnerungen werden wach, Wunden wieder aufgerissen.

In langen Rückblenden packt Almodovar zwischen Vergangenheit und Gegenwart fast ein ganzes Leben in diesen Film, in dem Erinnerungen wie prall gefüllte Zeitkapseln auf der Leinwand zum Platzen gebracht werden. In kräftigen Farben, die mit der Dramatik der Geschichte kontrastieren, in üppiger Ausstattung und unterlegt mit verdichtender Musik wird davon erzählt, wie die Abwesenheit eines Menschen ein Leben prägen kann.

Geführt von Alice Munros Figuren

Schuld und Verantwortung werden verhandelt, Schicksal und Selbstbestimmung: Und genau in diesem Punkt unterscheide sich Julieta auch von seinen anderen, sonst so starken Figuren, meint Almodovar - denn Julieta sei verletzlich: "Julieta ist, verglichen mit anderen Frauenfiguren meiner Filme, am wenigsten bereit zu kämpfen. Sie wirkt kraftlos und ist als Person von den Verlusten gezeichnet, die sie erleben musste."

"Julieta" basiert dabei auf mehreren Kurzgeschichten der kanadischen Literatur-Nobelpreisträgerin Alice Munro, die sich auf der Leinwand allerdings nur noch in gestreuten Bildern und Motiven erahnen lassen. "Als für mich feststand, dass ich in Spanien drehen, und somit die Geschichte an die spanische Geografie anpassen würde, versuchte ich Alice Munro zu vergessen. Natürlich ist sich nach wie vor im Film, aber von da an dachte ich weniger an ihre narrativen Wegweiser, als daran, wo mich diese Figuren hinführen könnten."

Seine Figuren haben Pedro Almodovar in ein verzweigtes Wegenetz geführt, in dem Beziehungen zwischen Figuren wachsen, die im nächsten Moment aber schon wieder so weit entfernt scheinen wie Madrid und das Meer - jene zwei Schauplätze, in die er "Julieta" hineingeschrieben hat.