"Captain Fantastic" - die andere US-Familie
Coca-Cola nennen sie "giftiges Wasser" und statt Weihnachten feiern sie den Noam-Chomsky-Tag. Tatsächlich pflegt eine siebenköpfige Aussteigerfamilie in der US-amerikanischen Tragikomödie "Captain Fantastic" einen recht ungewöhnlichen Lebensstil.
8. April 2017, 21:58
Was passiert, wenn diese Familie mit der realen Welt in Berührung kommt? Das erzählt der Film so humorvoll wie hintergründig. In der Hauptrolle Viggo Mortensen.
Mittagsjournal, 18.8.2016
Service
Bleeckersteet Media - Captain Fantastic
Vor dem gemeinsamen Unterricht muss die kleine Tochter noch schnell ein Biberhörnchen mit dem Messer ausnehmen. Danach geht’s im Dauerlauf durch den Wald, wo man eine Pause zum kollektiven Meditieren einlegt. Nach dem Essen wird abends am Lagerfeuer musiziert oder noch die eine oder andere Unterrichtseinheit eingeschoben: Quantenphysik und russische Literatur, was man halt so braucht in der Wildnis.
Verhasster Kapitalismus
Ben (Viggo Mortensen), der Vater und seine sechs Kinder - vom Vorschul- bis ins College-Alter - haben sich in den Wäldern an der Nordwestküste der USA für ein Aussteigerleben entschieden. Doch als die Mutter in einer Klinik Selbstmord begeht, gerät das selbstgezimmerte Idyll fern des verhassten Kapitalismus aus dem Lot. Die Reise zum Begräbnis wird zur Erkundung der Zivilisation, die so manche Überraschung bereithält: Warum sind die Leute hier bloß alle so fett?
Abgrenzung vom American Way of Life
Regisseur Matt Ross schöpft in seinem Roadmovie Wahrheit und Komik zugleich aus der Konfrontation zweier Weltanschauungen - der American Way of Life einerseits und die maximale Abgrenzung davon andererseits: Pointiert nimmt es Ross mit den Extremen der unterschiedlichen Sichtweisen auf. Das Stupide vorsätzlicher Bildungsverweigerung kreuzt er mit jener Selbstgerechtigkeit, mit der Ben seine Kinder zu hochgradig intelligenten und dennoch völlig weltfremden Wesen geformt hat.
Vermeintliche Liberalität
Doch nach und nach bröckelt die Fassade des "Captain Fantastic", verdichten sich die Widersprüche: Bens vermeintliche Liberalität, und sein zur Schaugestellter Non-Konformismus tragen genau jene autoritären Züge in sich, die er an anderen selbstverständlich kritisiert. Matt Ross will Eltern nicht bloßstellen oder belehren, lieber plädiert er - mal in liebevoller Fürsorge, dann wieder mit Sarkasmus - für den Ausgleich: hin und wieder einen Gang zurückschalten und sich als Eltern überhaupt nicht so wichtig nehmen.